Brachland als Perspektive
Mexiko zählt zu den sogenannten failed states, Veracruz zu den brutalsten Bundesstaaten im Land. Neue bäuerliche Selbsthilfestrukturen gelingen durch Kooperativaufbau, Bildung und Vergemeinschaftung von Eigentum.
Im Bundestaat Veracruz leben 52,6 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. 26 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 15 Jahren sind ohne Grundschulausbildung. Die Jugendarbeitslosigkeit ist hoch. Es regieren Gewalt, Drogenkartelle, Banden und Korruption. Rivalisierende Banden liefern sich seit Jahren einen Krieg um die Vorherrschaft über den Drogenhandel.
Anfang des 20. Jahrhunderts blühte Veracruz dank des Kaffeeexports. Davon zeugen noch heute große Bauten und Fincas. Heute sind es andere Staaten, die den internationalen Kaffeemarkt dominieren. Der Druck auf die Kleinbauern ist hoch: Da der herkömmliche Anbau kaum zum Überleben reicht, sind sie zugänglich für Kartelle, die ihnen verhältnismäßig hohe Summen für den Anbau von Drogen zahlen.
In Zoncuantla, zwischen grünen Hügeln und Wald haben sich 21 Mexikaner*innen, ein Tscheche und ein Deutscher mit ihren Familien in einer Kooperative und einer gemeinsamen Vision zusammengefunden: Sie wollen die Kooperativbewegung neu initiieren und ein Zentrum für duale Lehrlingsausbildung in biodynamischer Landwirtschaft aufbauen. Damit wollen sie in Veracruz dörflich indigene Landwirtschaft sowie mittelständische Betriebe mit Wissen und technischem Know-how ertragreicher machen und vermitteln, dass Bauer bzw. Bäuerin ein erstrebenswerter Beruf sein kann.
Bei Agrosol, dem Ausbildungszentrum für biodynamischen Landbau und integrierte Wirtschaftsweise, absolvieren bis zu zwanzig Lehrlinge für jeweils zwei Jahre eine Ausbildung in den Bereichen Landbau, Tierzucht und -haltung, Weiterverarbeitung von Agrarprodukten sowie der Imkerei. Derzeit absolvieren 14 Jugendliche eine Ausbildung bei Agrosol. Die bunt gemischte Gruppe setzt sich aus sechs Universitätsabgänger/Innen, einem Techniker, drei jungen Menschen mit Abitur und vieren mit Sekundarabschluss.
Es gibt Ferkel- und Mastschweine, eine eigene Wurstproduktion, Schafe, Ziegen, Hühner und Enten. Außerdem wird in nachhaltiger Forstwirtschaft Holz und Brennholz produziert, Kaffee angebaut, sowie Mais-, Bohnen-, und Gemüseanbau betrieben. Die Lehrlinge sind Kinder aus Kleinbauernfamilien oder Elternhäusern mit kleinem, brachliegendem Landbesitz aus Veracruz. Das Land ihrer Eltern ist für diese jungen Menschen eine Perspektive für die Zukunft: Richtig bewirtschaftet, sichert es die Grundversorgung der Familien und ein eigenes Einkommen. Eigene Erträge aus der Landwirtschaft machen sie resistent gegen die Drogenkartelle.Das Ausbildungszentrum für organischen Landbau und integrierte Wirtschaftsweise setzt richtungsweisende Akzente für eine lebendige Landkultur.
Um Studierenden und Besucher*innen die Möglichkeit zu bieten, einige Tage im Ausbildungsbetrieb zu bleiben, mitzuarbeiten und zu lernen, wurde bereits dank Ihrer Spenden ein Mehrzweckraum, in dem auch Betten aufgestellt werden können, errichtet. Die Lehrlinge sollen zu den Kosten für ihre Ausbildung und Unterbringung beitragen. Der Beitragssatz orientiert sich am allgemeinen Mindestlohn. Über Stipendien können auch komplett mittellose Lehrlinge an der Ausbildung teilnehmen.
Die laufenden Kosten des Ausbildungszentrums für biodynamischen Landbau und integrierte Wirtschaftsweise belaufen sich jährlich pro Auszubildenden auf 2.745 Euro. Die Förderung eines Arbeitstages (acht Stunden) eines Auszubildenden kostet dementsprechend ca. neun Euro.