Empleo con Apoyo (unterstützte Beschäftigung) – Arbeit für Menschen mit Behinderung im Norden von Peru

Ein Text von Anne-Dorothea Segger

Seit den achtziger Jahren ist Peru so etwas wie meine zweite Heimat geworden. Ich arbeitete damals 5 Jahre als Lehrerin an einer peruanisch-deutschen Schule in der Hauptstadt Lima und lernte Privilegierung, Armut, Ausgrenzung und Rassismus dort im konkreten Alltag kennen. Als Mitglied einer kleinen Gruppe von Kolleg*innen, die in ihrer Freizeit Initiativen wie Mütterclubs und Kinderheime mit Spendengeldern aus Deutschland unterstützten, wuchs mein Interesse an dem, was es anderenorts im Land an Projekten der Entwicklungszusammenarbeit gab. Und so lernte ich auf einer Reise in den Norden, nach Cajamarca, die Menschen kennen, die einige Jahre zuvor eine Förderschule gegründet hatten, die mit viel Geduld und Überzeugungsarbeit erreicht hatten, dass Menschen mit Behinderung Zugang zu Bildung bekamen, nicht mehr versteckt, sondern als Teile der Gesellschaft mit dem Recht auf Respekt wahrgenommen wurden.

Wegen einer Hörbehinderung musste ich vorzeitig aus meinem Beruf ausscheiden. Was lag näher als die neuen Freiheiten zu einem mehrmonatigen Freiwilligeneinsatz in Peru, aber nun unter anderen Vorzeichen, zu nutzen? Ich wurde so etwas wie Anschubhilfe für einen neuen Teil des Behindertenprojekts in Cajamarca, für Empleo con Apoyo/ECA (unterstützte Beschäftigung).  Mittlerweile war die Schule für Menschen mit Behinderung gewachsen, mehrere Jahrgänge hatten sie nach i.d.R. sechs Schuljahren verlassen – mit meistens sehr unklarer Zukunftsperspektive, mit wenig Aussicht auf Arbeit oder zumindest Ansätze von ökonomischer Unabhängigkeit.

2002 startete eine der Lehrerinnen, Mercedes Rodriguez Sanchez („Meche“), als Teil ihres Deputats so etwas wie einen Integrationsfachdienst, nämlich Empleo con Apoyo/ECA. Sie wirbt – inzwischen zusammen mit ihrer Kollegin Gina Rodriguez Paredes - bei Privatfirmen und öffentlichen Einrichtungen um Offenheit für Menschen mit Behinderung als Mitarbeiter*innen, erklärt Möglichkeiten und Einschränkungen der Bewerber*innen, bereitet sie und ihre Familien auf den Übergang ins Arbeitsleben vor und begleitet alle Beteiligten, wenn das Arbeitsverhältnis zustande gekommen ist.

Nach einigen Jahren wurde ECA nicht mehr über das peruanische Erziehungsministerium finanziert. So viele junge Menschen hatten inzwischen bewiesen, dass sie mit ihrer Behinderung gut in den ersten Arbeitsmarkt integriert waren, ihre Familien entlasten konnten, insgesamt viel Wertschätzung erfuhren und sich selbst als vollwertig erlebten. Das musste fortgesetzt werden – zur Not mit meinen privaten Spenden.

Längst war aus dem kollegialen Verhältnis der peruanischen Koordinatorin von ECA mit mir, der deutschen Freiwilligen, eine Freundschaft geworden. Aber wir Freundinnen wurden älter. Mich trieb um, wie die Arbeit von ECA längerfristig weitergehen könnte, wie die Finanzierung dafür zu sichern war. Auch war mir wichtig, dass ECA von in der Entwicklungszusammenarbeit erfahrenen Fachleuten beraten und begleitet würde. Ich wurde auf die Zukunftsstiftung Entwicklung bei der GLS-Treuhand aufmerksam. Nach einigen Monaten mit vielen Gesprächen und Mails stellten Dr. Annette Massmann und ich fest: Wir stimmen sehr gut bezüglich einiger grundlegender Prinzipien überein. Die Menschen vor Ort sollten kontinuierlich arbeiten können, sollten eigenständig die Verantwortung tragen, die nächsten Schritte entwickeln und die Mittel transparent verwalten. So fiel mein Entschluss, ECA durch einen Stiftungsfonds abzusichern, sowohl als Finanzierende wie als „Ratgeberin von außen“ hinter die Fachleute von der Zukunftsstiftung zurückzutreten.

Seit 2013 besteht diese Partnerschaft inzwischen. Ich erlebe, dass alle Beteiligten vertrauensvoll zusammenarbeiten. Die Kommunikation mit den Partner*innen in Peru ist von gegenseitiger Wertschätzung geprägt. Besuche werden offenbar nicht als „Kontrolle“, sondern als Möglichkeit zu vertieftem Austausch, zu besserem Kennenlernen empfunden.  

Etwa 80 junge Menschen mit Behinderungen konnten Meche und ihre Kollegin Gina im Lauf von ca. 20 Jahren in eine bezahlte Beschäftigung vermitteln, sie und ihre Arbeitgeber*innen, Familien und Kolleg*innen mit ihrem Rat begleiten. Andere junge Menschen mit Behinderung machen im Rahmen von Praktika erste Erfahrungen in der Arbeitswelt oder werden bei der Ausbildung in verschiedenen Einrichtungen unterstützt.   

Seit dem Ausbruch von Covid 19, seit März 2020, erleben alle an ECA Beteiligten eine extrem schwere Zeit. Meche und Gina kämpfen trotz wochenlangen Lockdowns mit Ausgangssperren dafür, dass möglichst alle der Beschäftigten über kurz oder lang an ihre Arbeitsstellen zurückkehren können.
Da reale Treffen kaum zu realisieren sind, läuft inzwischen vieles über Telefonate, online-Kontakte und Begegnungen - buchstäblich - an der Haustür der beiden älteren Damen. Die Vernetzung mit öffentlichen Stellen, u.a. der Stadtverwaltung, dem örtlichen Büro des Arbeitsministeriums, der Universität Cajamarca - als ideelle Förderin und Arbeitgeberin - und verschiedenen Behindertenvereinigungen, läuft gut.

Die Gelder aus dem Stiftungsfonds sind nun sinnvoll umgesetzt, das Bewusstsein für Menschen mit Behinderung als Teil der Arbeitswelt scheint in der Stadtgesellschaft Cajamarcas, wie bei offiziellen Stellen gewachsen. Die Zukunftsstiftung Entwicklung sichert finanziell eine Übergangszeit, bis die pensionierten Lehrerinnen Meche und Gina sich auch als ECA-Koordinatorinnen in den verdienten Ruhestand zurückziehen können. Wenn alles gut läuft, bewahrheitet sich die eigentliche Zielvorgabe jeglicher Entwicklungszusammenarbeit: sich selbst überflüssig zu machen, die Initiative in die Verantwortung von Menschen und Institutionen im Zielland zu übergeben.
Die Zukunftsstiftung Entwicklung gibt dem Projekt ECA eine Chance auf Nachhaltigkeit.

Ich danke dem Team der Zukunftsstiftung Entwicklung dafür, diesen Weg von ECA seit 2013 so kompetent, einfühlsam und verständnisvoll zu begleiten. Ich selbst werde immer ganz selbstverständlich in den Austausch von Nachrichten mit den Partner*innen in Peru einbezogen. Auch dafür: danke!