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Altes Korn - neues Hirsebrot

08.03.2024

In Tharaka-Nithi, im Norden Kenias, flimmert die Luft. Es sind 36 Grad im Schatten, Staub fliegt umher. Aber noch etwas anderes liegt in der Luft: der Duft von Brot.

Gladys Kanau von der Organisation Strategies for Agro-Pastoralists Development (SAPAD) schneidet ein Stück von einem frischen Fladenbrot ab. Duft und Farbe des frisch gebackenen Brotes verraten die Zutaten: Sorghum und Hirse, zu Mehl vermahlen. Doch warum verwendet sie kein Weizenmehl, wenn doch dessen Konsistenz und Geschmack von so vielen Menschen bevorzugt wird?
Weizen wird in Kenia kaum angebaut. Er wird zu großen Teilen aus der Ukraine und Russland importiert. Die Preise sind in den letzten Monaten extrem gestiegen und die Qualität, die in Tharaka-Nithi ankommt, ist schlecht. Weizenbrot ist für die Menschen vor Ort unerschwinglich geworden. Außerdem steht der Weizen in Konkurrenz zu den Getreiden, die vor Ort angebaut werden können und die Trockenheit sehr viel besser vertragen als Weizen. Das sind traditionelle Feldfrüchte wie Hirse, Sorghum, Maniok und Süßkartoffeln. Sie wachsen gut, sind erschwinglich und tragen zum Erhalt lokaler Sorten bei. Der Anbau sichert den Bäuer*innen Ernteerträge auch in Dürrezeiten, zudem sind die Menschen unabhängig von internationalen Getreideimporten.

Wir möchten den Wertschöpfungsprozess des Brotes bis zu seinem Ursprung zurückverfolgen und gehen in die kleine, provisorische Bäckerei, aus der es so verführerisch duftet. Vor dem Lehmofen steht Chabari Kiura, Leiter der Organisation SAPAD. Stolz präsentiert er die verschiedenen Getreidesorten, die die Kleinbäuer*innen an die Bäckerei verkaufen. Fünf verschiedene Arten Fingerhirse, elf Sorten Sorghum und verschiedene Manioksorten werden zu Mehl verarbeitet und verbacken.

Mehr zu SAPAD

Strategies for Agro-Pastoralists Development (SAPAD; Strategien für die Entwicklung von extensiver Weidehaltung und Feldwirtschaft) wurde 2012 gegründet und arbeitet in den kenianischen Distrikten Tharaka Nithi, Meru, Isiolo, Laikipia und Samburu mit Kleinbäuer*innen. Ziel ist, sie in artenreichem organischem Landbau und Umweltschutz zu schulen und kulturelles und soziales Bewusstsein für den Erhalt der Umwelt zu schärfen. Die Gebiete, in denen SAPAD als gemeinnützige Organisation tätig ist, gehören zu den trockensten und dürftigsten der Region. Über 4.000 Mitglieder, davon rund 300 Jugendliche, haben bereits an den Trainings teilgenommen, und über 700 Gemeindemitglieder haben sich mit Ansätzen für Konfliktlösung und Friedenssicherung beschäftigt.

Chabari Kiura Zaverio traf 2015 auf SAPAD und ist heute ihr Geschäftsführer. Als Landwirt und Mitglied einer Bauerngruppe nahm er an Schulungen in organischem Landbau teil und fand Gefallen daran, zu lernen und Wissen weiterzugeben. Er nahm einen Kredit auf, um Zertifikatskurse in organischem Landbau und anschließend ein Studium zu absolvieren. Als erster ausgebildeter organischer Landwirt und zertifizierter Berater in Tharaka nahm er bei SAPAD die Arbeit auf. Heute ist er Spezialist für die Züchtung trockenresistenten Saatguts und für organischen Landbau und Viehhaltung unter extrem trockenen Bedingungen.

Das Mahlen der Getreide ist in Tharaka-Nithi noch Handarbeit
Die Bewahrung alter Sorten gibt Ernährungssicherheit
Auch die Bewahrung einheimischer Obstsorten tragen zur Ernährungssicherheit bei

Saatgutdiversität als Schlüssel zur Ernährungssouveränität

Gerade in Zeiten sich ändernder klimatischer Bedingungen ist eine schrittweise Anpassung der Pflanzen auf den Feldern überlebenswichtig für Mensch und Umwelt – die Vielfalt ist der Schlüssel zum Überleben! Die Mehrheit der Bäuer*innen in Kenia kauft allerdings leider aggressiv vermarktetes, patentiertes Hybrid-Saatgut von großen Konzernen. Dieses Saatgut wird mit einem hohen Einsatz chemischer Pflanzenschutz- und Düngemittel produziert und als Paket mit eben diesen Insektiziden, Pestiziden und Düngern vermarktet. Den Kleinbäuer*innen fehlt oft das Wissen, eigenes Saatgut zu pflegen und zu erhalten. Dadurch können die Pflanzensorten auf den Feldern nicht angepasst werden – alte Sorten sterben aus. Allein in der Gegend Tharaka-Nithi ist im letzten Jahr der Verlust von 34 Sorten dokumentiert worden. Weitere 65 Sorten mussten als gefährdet eingestuft werden, weil sie kaum noch angebaut werden. 

Doch Chabari Kiura ist überzeugt: "Organischer Landbau und die Bewahrung des eigenen Saatgutes bietet das größte Potenzial für zukunftsweisende Lösungen gegen Hunger und Ausbeutung." Deshalb lernen derzeit 250 Kleinbäuer*innen, die sich in 15 Gruppen zusammengeschlossen haben, bei SAPAD organische Anbaumethoden und den Erhalt von Sorten. Aufklärung über die Qualitäten und den gesundheitlichen wie ökologischen Mehrwert alter, samenfester Sorten, die gezielte Vermehrung des Saatguts auf der Demonstrationsfarm und die Weitergabe samenfester Saatgutsorten an die Kleinbäuer*innen stehen dabei im Zentrum des Unterrichts. Gewinnung und Lagerung von Saatgut sind ebenfalls wesentliche Lerninhalte. Die Gruppen bauen Saatgutbanken auf und pflegen sie eigenständig. Sie leisten damit einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität. Zusätzlich wirken Aufforstungsmaßnahmen mit angepassten Bäumen und der Bau von Wassertanks den Bedrohungen durch den Klimawandel entgegen.

Absatzmärkte schaffen

Seitdem Mary nicht mehr auf den Kauf von Saatgut und Düngemitteln angewiesen ist, spart sie jährlich rund 500 Euro. Sie ist überzeugt: Durch den Schutz der Biodiversität und eine hohe Variationsbreite des Saatguts macht sie ihre Familie ernährungssicher und erwirtschaftet das notwendige Einkommen. Da die Fruchtfolgen ihrer Felder so vielfältig sind, hat sie zu mehreren Zeitpunkten im Jahr verschiedene Ernteerträge. Sobald sie die Hirse geerntet hat, wird sie einen Teil des Ertrages an die Bäckerei verkaufen. Ein neuer Duft von frischem Brot wird dann die heiße Luft durchziehen und beweisen, dass lokale Getreidesorten schmackhaft sind. Denn Chabari Kiura ist sich sicher: Die Bäuer*innen entscheiden sich für den Erhalt der alten Sorten nur dann, wenn sie selbst vom Geschmack und Mehrwert ihrer Saaten überzeugt sind.

 

Die Bäckerei wächst

Die kleine Bäckerei bekommt mittlerweile viele Aufträge und verkauft zweimal wöchentlich Backwaren auf dem lokalen Markt. Über 80 verschiedene Rezepte, bestehend aus den von den Kleinbäuerinnen und -bauern angebauten lokalen traditionellen Sorten, beherrschen die beiden jungen Bäcker*innen der Bäckerei. In einem nächsten Schritt soll die Bäckerei weiter ausgebaut werden, mit dem Ziel, einen kommerziell betriebenen Bäckereibetrieb eröffnen zu können. Dadurch können die Einkommen der Kleinbauern gesteigert, der Anbau des traditionellen Saatgutes gestärkt und Ausbildungs- und Jobperspektiven insbesondere für junge Menschen geschaffen werden.

Für den nächsten Bauabschnitt der Bäckerei sowie einen Heißluftofen werden noch weitere 30.000 Euro benötigt.

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Chabari Kiura aus Tharaka-Nithi mit traditionellem Saatgut

Spendenzweck

Kenia: Bäckerei F261