Zuflucht vor Genitalverstümmelung
27.05.2024
Margaret Ikiara schafft es mit ihrer Organisation CIFORD, traditionelle Riten des Erwachsenwerdens mit Empowerment von Mädchen und Jungen zu verbinden. Das Ziel: Die Genitalverstümmelung bei Mädchen und Frauen endgültig abzuschaffen und Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zu erreichen.
Weltweit werden täglich 8.000 Mädchen Opfer von Genitalverstümmelung. Seit 2001 ist diese Praxis in Kenia verboten. In der Folge sank die Anzahl der Fälle. Doch Pandemie und Dürre führten zu einem erschreckenden erneuten Anstieg in der nördlichen Provinz Meru. Die Familien verheiraten ihre Töchter aus der Not heraus früher als noch vor Jahren. Die Beschneidung dieser Mädchen ist dabei ein wichtiger Faktor, denn kulturell herrscht noch immer das Bild vor, dass nur eine beschnittene Frau eine gute Ehefrau sei.
Margaret Ikiara verfolgt deshalb mit ihrer Organisation CIFORD eine Mission: Sie will diese Praxis endgültig überwinden. Sie sieht mangelnden Zugang zu Bildung und Aufklärung als die Gründe, die es erschweren, Genitalverstümmelung abzuschaffen. Deshalb setzt CIFORD über Radiobeiträge, Seminare und Demonstrationen darauf, Bildung und Aufklärung in die Gemeinden von Meru zu bringen.
Community Initiatives for Rural Development (CIFORD) arbeitet als gemeindebasierte Organisation im Distrikt Meru North in Zentralkenia. Das Team von vier Mitarbeitenden ist in den Bereichen organischer Landbau und Basisgesundheitsversorgung tätig. Ein Schwerpunkt sind Aufklärungskampagnen gegen weibliche Genitalverstümmelung, da Mädchen in Meru einem hohen Risiko ausgesetzt sind, beschnitten zu werden. Die GLS Zukunftsstiftung Entwicklung kooperiert seit 2019 mit CIFORD.
Margaret Ikiara ist Gründungsmitglied und Leiterin von (CIFORD). Sie hat eine landwirtschaftliche Ausbildung an der Egerton University in Kenia abgeschlossen und arbeitet seit 25 Jahren in der ländlichen Gemeindeentwicklung. Zusammen mit einigen Freunden gründete sie 2002 CIFORD Kenya, um für ihre Gemeinde zu arbeiten, insbesondere für Frauen und Mädchen in ihrer Region Meru North, wo weibliche Genitalverstümmelung weit verbreitet ist. Margaret glaubt an eine Gesellschaft, in der Frauen und Mädchen ihr Potenzial ausschöpfen und ohne Diskriminierung Führungsrollen übernehmen können. Ihre Motivation ist, Frauen und Mädchen zu ermöglichen, ihr Leben selbstbestimmt und unversehrt zu gestalten.
In der Kultur Merus wird die Genitalverstümmelung von der Einführung in die Rolle und Verpflichtungen von Frauen begleitet. Diesen zweiten Teil der Tradition, zusammen mit allen Aspekten sexueller Aufklärung, will Margaret Ikiara beleben, denn sie sieht soziale Orientierung in schwierigen Zeiten als sehr wichtig an: "Wer soll den Mädchen Hilfestellungen leisten, wenn es weder in den Schulen noch in den Familien passiert?", merkt sie lächelnd an. Deshalb bietet CIFORD den Mädchen der umliegenden Gemeinden Seminare mit alternativen kulturellen Praktiken, sogenannte alternative Initiationsriten (alternative rites of passage, ARP). Mädchen im Alter von 11 bis 15 Jahren nehmen an diesen Initiationsritualen teil. Wie in den traditionellen Zeremonien leben die Mädchen über fünf Tage abgeschnitten von der Außenwelt zusammen. Respektierte Seniorinnen vermitteln traditionelle Lektionen, die kulturell den Übergang vom Mädchen zur Frau symbolisieren. Margaret Ikiara stellt die Themen sexuelle Aufklärung, Familienplanung und Kindererziehung dazu.
Statt Beschneidungsritual erfolgt die Aufklärung über Genitalverstümmelung und über Mythen, die diese schreckliche Praxis umgeben. Das Angebot von CIFORD wirkt kulturverändernd, denn CIFORD bindet Jungen und Männer in weiteren Seminaren ein. Margaret Ikiara: "Veränderung geht nur, wenn viele Mitglieder einer Gemeinde diese Veränderung aktiv gestalten. Und da spielen die jungen Männer eine wichtige Rolle."
Das CIFORD-Zentrum
CIFORD verfügt über ein Grundstück, auf dem ein kleines Haus mit Wellblechdach steht, in dem bisher die Seminare stattfinden. Tagsüber dient es als Tagungsraum. Abends wird gewischt und es werden Decken ausgelegt, auf denen die Mädchen schlafen. Der Platz ist knapp und erlaubt nur eine kleine Anzahl an Teilnehmerinnen. Auch möchte CIFORD ein Zufluchtszentrum gründen, wo Mädchen für kurze Zeit Schutz bekommen können. Denn in Fällen, in denen sie rechtzeitig davon erfahren, holen sie die Mädchen aus der Familie und bringen sie an einen sicheren Ort, bis sie mit der Familie sprechen und sie umstimmen können. Margaret Ikiara: "Ein solches Zufluchtszentrum würde für diese Mädchen sowie für akut von Gewalt bedrohte Frauen das Leben grundlegend ändern." Auf dem Gelände von CIFORD soll dafür ein Zentrum entstehen, das mehr Platz für Veranstaltungen und einen Schutz- und Rückzugsraum bietet.
Für Fundament, Erdgeschoss, Dach, Fenster, Türen, Anschlüsse sind Kosten in Höhe von 113.825 Euro veranschlagt. CIFORD erreicht jährlich 1.050 Mädchen und Frauen. Dies entspricht einer einmaligen Förderung von rund 108 Euro pro Person.