Wer verfügt und entscheidet über lokale Ressourcen?

26.11.2024

Es ist die vielleicht existentiellste Frage unserer Zeit. Ein Beispiel: In Andahuaylillas wehren sich Bewohner*innen gegen das sprichwörtliche Abgraben von Wasser und nachfolgende Beben.

Andahuaylillas liegt im Tal des Rio Vilcanota im Andenhochland, auf einer Höhe von 3.121 Metern, nur rund eineinhalb Autostunden vom Tourismusmagneten Cusco entfernt. Ein pittoreskes Dorf in dem weiten grünen Tal, das auch als „Prärie der Wolken“ bekannt ist und erstmals 1533 urkundlich erwähnt wurde. Hier finden sich Ruinen der Inka-Kultur, auf denen koloniale Bauten errichtet wurden. Im Zentrum des Dorfes steht die Sankt-Peter-Kirche aus dem 17. Jahrhundert. Ihre Mauern und die Fassade werden von einem mit Tonziegeln gedeckten Schrägdach gekrönt. Im Inneren ist die Kirche barock gehalten. Prunkvolle, bunte, golden gerahmte Bibelszenen schmücken Decke und Wände. Es gibt einen goldenen Altar. Die „sixtinische Kapelle der Anden“ ist der Anziehungspunkt für viele Touristen.

Neben der Kirche stehen eingeschossige Lehm-Fachwerkhäuser. Hier eröffneten Lucy Terrazas und Julio Herrera Burgos das soziale Projekt Q'ewar. Lucy Terrazas stammt aus Andahuaylillas und nach einigen Jahren in der Hauptstadt Lima wollte sie an ihrem Geburtsort Frauen Ausbildungs- und Einkommensperspektiven eröffnen. Das Projekt begann mit sieben Frauen in einer kleinen Werkstatt. Sie lernten, Waldorfpuppen aus Naturmaterialien herzustellen, die inzwischen an Privatpersonen und Unternehmen in der ganzen Welt verkauft werden.

Heute arbeiten etwa 30 Frauen und neun Männer bei Q'ewar. Es sind mehrere Werkräume für unterschiedliche Arbeitsbereiche entstanden: Reinigen, Kardieren, Spinnen, Färben, Stricken und Weben von Wolle. 2006 wurde der Waldorfkindergarten Wawa Munakuy eröffnet; 2019 begannen die Baumaßnahmen für das Kulturzentrum Q'ewar, das 2023 fertiggestellt wurde und den Frauen aus dem Projekt zusätzliches Einkommen ermöglicht.

Mehr zu Q'ewar

Im Oktober 2000 beschlossen Lucy Terrazas und Julio Herrera Burgos, sich in Andahuaylillas niederzulassen. Wegen des täglichen Kontaktes mit den Einwohner*innen des kleinen Dorfes entstanden schnell Freundschaften und ein Gespür für die harten Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung. Im Januar 2002 gründeten Lucy und Julio das Q'ewar-Projekt und eröffneten in einem Raum in ihrem Haus die erste Gemeinschaftswerkstatt. In einem offenen Brief fassten Lucy und Julio ihre Motivation so zusammen: "Die Grundmotivation, die zu dieser sozialen Initiative geführt hat, stammt von der Anerkennung, dass wir alle verwandt sind, auch mit den Frauen und Männern, die das Schicksal am schlimmsten getroffen hat. Wir müssen Verantwortung übernehmen, um Ignoranz und Rassismus zu überwinden und Wege zu finden, die sozialen Ungerechtigkeiten um uns herum ins Gleichgewicht zu bringen."

Im Jahr 2002 gründeten Julio Herrera Burgos und Lucy Terrazas das Q'ewar- Projekt, das heute rund 50 Frauen in Andahuaylillas einen festen Arbeitsplatz bietet. In Handarbeit werden Spielzeugpuppen aus Naturmaterialien hergestellt, die an Einzelpersonen und Firmen auf der ganzen Welt verkauft werden. Die Puppen ermöglichen den Frauen und dem Projekt ein Einkommen. So wird die Bereitschaft, in die Slums der Großstädte abzuwandern, gemindert und das Verantwortungsgefühl und Selbstvertrauen der Frauen gestärkt. Seit 2006 gibt es den Wawa Munakuy Waldorf-Kindergarten, in dem 24 Kinder aus dem Ort in zwei Gruppen betreut werden. Der Kindergarten ist als einziger im Dorf kostenfrei und wird über den Puppenverkauf und Spendengelder finanziert, so dass auch die ärmsten Familien ihren Kindern diese Erziehung ermöglichen können. Die Zukunftsstiftung Entwicklung kooperiert seit 2014 mit Q'ewar.

Auf dem Bild ist die sixtinische Kapelle der Anden zu sehen.

Erdbeben

Q'ewar liegt nicht nur an einem historischen, sondern auch an einem geologisch sensiblen Ort. Seit 2000 fördert das staatliche Unternehmen Seda Cusco hier Grundwasser für die Stadt Cusco. Nach neuen Bohrungen, Anfang 2024, verdreifachte das Unternehmen die Menge. Jetzt fließt das Wasser mit bis zu 1.104 Litern pro Sekunde nach Cusco. Bei diesen Bohrungen blieb unberücksichtigt, dass Andahuaylillas auf einer geologischen Verwerfung liegt. Deshalb verursacht die gesteigerte Entnahme von Grundwasser eine Senkung der Erdkruste.

Seit Mai dieses Jahres hat das Dorf über 650 Erdbeben erlebt, mit einer Stärke bis zu 5,4 auf der Richterskala. Kirche, Fachwerkhäuser und das Dach des neu errichteten Kulturzentrums sowie die Werkstätten von Q'ewar wurden erheblich beschädigt. Für die Behörden hat die Wassergewinnung Priorität; die Auswirkungen auf die Lebensbedingungen und der Verlust des Kulturerbes interessieren sie nicht. Zuvor haben weder das Unternehmen noch die Behörden nachhaltige Maßnahmen durchgeführt, wie das Auffangen von Regenwasser in Reservoirs und Zisternen oder Aufforstungsmaßnahmen, um das Wasser möglichst lange im Boden zu halten.

Lucy Terrazas und Julio Herrera Burgos haben sich mit anderen Einwohner*innen in einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen. Sie fordern die geologische Untersuchung der Wasserentnahme und setzen sich für die erbebensichere Instandsetzung der Häuser des Dorfes und der Kirche ein. Sie verlangen von den Behörden, Alternativen der Wassergewinnung zu prüfen und die Entnahmevolumen zu drosseln. Lucy Terrazas und Julio Herrera Burgos baten uns um Unterstützung für die Sicherung der Gebäude und des Kulturzentrums von Q'ewar. Die Eckwände müssen durch Verbindungen verstärkt werden, tragende Balken unterstützt und die Deckenkonstruktionen neu gefasst werden.

Die Ausgaben für Reparaturen belaufen sich schon jetzt auf 9.200 Euro. Weitere 10.000 Euro werden noch benötigt.

An zwei Wänden eines Gebäudes sind großflächige Risse zu sehen.

Spendenzweck

Peru: Erdbebenschäden F335