Frauen-Empowerment durch Mikrokredite
01.03.2024
Die Mehrheit der Menschen im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu lebt unter prekären Bedingungen. Vor allem Frauen verfügen in der ländlichen Region Tiruvannamalai nur über sehr geringe Mittel. Die Welfare Association for the Rural Mass (WARM) verfolgt das Ziel, Frauen unternehmerische Initiativen zu ermöglichen, damit sie ihre Lebensbedingungen verbessern können.
2004 trafen sich zum ersten Mal Frauen aus Dorfprojekten der Welfare Organisation for the Rural Mass (WARM), um gemeinsam zu sparen und dann zu entscheiden, wer aus ihrem Kreis die gesparte Summe in eine kleine Unternehmung investieren kann. Dies war der erste Schritt zum Aufbau eines selbstverwalteten Mikrokreditprogramms. Seit dieser Zeit leitet Herr Rajavelu die Organisation WARM und sorgt für die Ausbildung und Beratung der Frauen. Inzwischen konnten rund 40.000 Frauen von diesem Programm profitieren.
In der Regel organisieren sich die Frauen in so genannten Selbsthilfegruppen (SHGs). Diese bestehen aus mindestens zehn bis 20 Frauen zwischen 18 und 55 Jahren. Jede Teilnehmerin trägt mit kleinen wöchentlichen Sparbeiträgen zum Gruppenfonds bei. Nach einigen Monaten ist der Sparbetrag groß genug, um als Kredit an eine oder mehrere Frauen vergeben zu werden, die diesen im Rahmen ihrer unternehmerischen Vorhaben einsetzen und in kleinen Raten zurückzahlen.
Die Welfare Association for the Rural Mass (WARM) wurde mit dem Ziel gegründet, Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung in den Dörfern rund um Tiruvannamalai zu verbessern. Heute unterhält WARM in Tamil Nadu 13 informelle Lernzentren für arbeitende Kinder und Straßenkinder und bietet drei Ausbildungsgänge für Schulabbrecher*innen an. Zusätzlich unterhält WARM ein Heim für Senior*innen und ein Kinderheim sowie eine organische Farm und einen kleinen Milchviehbetrieb. Seit 2001 fördert WARM zudem im Rahmen eines Mikrokreditprogramms Frauen aus ländlichen Regionen in ihrer Selbstständigkeit.
Die gemeinnützige Organisation Welfare Association for the Rural Mass (WARM) wurde 1983 gegründet. Der Gründer und erste Leiter der Organisation verstarb früh. Der heutige Geschäftsführer, K. Rajavelu, begann Ende der 90er Jahre für WARM zu arbeiten. Selbst als Kastenloser geboren, absolvierte er die Volksschule und lernte im Rahmen vieler Fortbildungen weiter. Als Kind war er selbst noch mit der rechtlosen Situation von Kastenlosen konfrontiert. So musste er mit seinem Vater zu seinem "Besitzer" gehen, um die Erlaubnis zu erhalten, die Schule zu besuchen. Im November 2023 wurde Herr Rajavelu von der Regierung Tamil Nadus als einziger NGO-Vertreter Tamil Nadus in die Regierungskommission für die Rechte Kastenloser und Indigener Gemeinschaften berufen. Dies ist eine große Auszeichnung für seine Arbeit und die Arbeit von WARM.
Der Distrikt Tiruvannamalai ist von Wäldern und Hügeln sowie der boomenden Tempelstadt Tiruvannamalai geprägt. Auf dem Land ist die Alphabetisierungsquote niedrig. Viele der Einwohner*innen sind Kastenlose oder gehören niedrigen Kasten an und sind ökonomisch marginalisiert und vielfach landlos. Häufig nehmen diese Menschen Darlehen zu horrenden Zinsen auf, belasten ihren ohnehin geringen Vermögenswert und verschulden sich fortschreitend. WARM bietet Fortbildungen im Hinblick auf Finanzwissen und Buchhaltung. Schulungen zielen darauf, berufliche Fähigkeiten zu stärken und Selbstständigkeit zu fördern. Das Mikrokreditprogramm hilft Frauen, Einkommen schaffende Tätigkeiten aufzunehmen und sich als Kleinstunternehmerinnen selbstständig zu machen.
Schulungen und Begleitung
Parallel zum wöchentlichen Spartreffen, erhalten die Frauen Schulungen zu Arbeitsrechten und zu Grundlagen für ihre unternehmerische Selbstständigkeit. So lernen die Frauen zum Beispiel die einfache Einnahmen- und Ausgabenrechnung und Buchhaltung. Auch werden unternehmerische Initiativen gemeinsam diskutiert und von den Mitarbeitenden von WARM im Hinblick auf ihre Umsetzbarkeit und Rentabilität überprüft. Die Frauen einer Gruppe definieren gemeinsam Kriterien für die Kreditvergabe innerhalb ihrer Gruppe und verteilen Rollen und Aufgaben wie die der Kassenwartin, Buchhalterin und Sekretärin. Auch definieren sie, was passiert, wenn eine Frau den Kredit nicht zurückzahlen kann. Die Mitarbeitenden von WARM leisten auch bei diesen Schritten Beratung und tätige Hilfestellungen. Auf diese Weise werden die Frauen bei der Gestaltung ihrer einkommensgenerierenden Aktivitäten gefördert.
Ein Programm, das Türen öffnet
Anders als bei Finanzinstituten wie Banken und Genossenschaften müssen die Frauen im Mikrokreditprogramm bei WARM keine finanziellen Sicherheiten bieten. Es reicht die soziale Sicherung über die Arbeitsgruppe, in der sich die Frauen engagieren. Die Darlehen in Höhe von 10.000 bis 50.000 indische Rupien pro Person (123 bis 617 Euro – Stand März 2023) fließen über den zuständigen Spar- und Leihzirkel an die jeweilige Frau. Die stete Evaluierung des Programms hilft, Fehler in der Umsetzung zu korrigieren und Prozesse für die Kreditnehmerinnen zu verbessern. Das Programm wird sowohl intern als auch extern evaluiert. Die externe Evaluierung im Frühjahr 2020 attestierte unter anderem folgende Erfolge:
- Das Mikrokreditprogramm wirkt als Katalysator für die wirtschaftliche Entwicklung der teilnehmenden Frauen und ihrer Familien.
- Das Mikrokreditprogramm verbessert die Stellung der Frauen in ihren Familien und in ihrer Gesellschaft. Die Zahl der Kinder, die zur Schule gehen, steigt.
- Das Mikrokreditprogramm erhöht die Erwerbsmöglichkeiten der Frauen auf dem Land. Durchschnittlich verdienen die Teilnehmerinnen 15.000 indische Rupien pro Monat (185 Euro).
Da es ein selbstverwaltetes Mikrokreditprogramm ist, haben die Frauen während der Corona-Pandemie aufgrund der sehr schwierigen ökonomischen Lage entschieden, das Programm für etwa ein Jahr einzufrieren. Im Anschluss nahmen sie es wieder auf und vermieden durch die Aussetzung Schuldenspiralen.
Das Programm läuft sehr erfolgreich und gerne würden wir es ausweiten. Dafür wären rund 30.000 Euro in 2024 notwendig.