Ein Hoch auf das Eigenkapital

24.05.2024

Die von Frauen geführten Kleinkreditzirkel benötigen Schenkgeld, um ihr Eigenkapital zu erhöhen. Damit können sie höhere Kredite vergeben.

Die Hitze flirrt. Etwa 50 Frauen aus drei Spar- und Leihzirkeln sitzen in Tiruvannamalai, Südindien, unter einem bunten Baldachin. Der Kreis ist mit Blumen geschmückt. Mit Stolz präsentieren die Frauen ihre Gruppenzugehörigkeit über die Farbe ihrer Saris.

Es sind organisationserfahrene und selbstbewusste Frauen, die seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Gemeinsam sparen sie monatlich eine selbst festgelegte Summe und entscheiden in der Gruppe, wer einen Kleinkredit erhält. Die Mitarbeitenden unseres Projektpartners Welfare Association for the Rural Mass (WARM) begleiten die Gruppen mit Schulungen zu Buchhaltung, Marketing, Betriebsleitung und zur Evaluation von Unternehmensideen. An diesem Tag haben sich die Frauen versammelt, denn zwei Gäste aus dem Ausland sind zu Besuch. Sie wollen ihre Unternehmungen und die Arbeit ihrer Spar- und Leihzirkel präsentieren. Stolz sind sie auf das mühselig mit kleinen Summen angesparte Eigenkapital ihrer Zirkel, aus dem sich dann die Kreditrunden speisen. Auch die Pandemie haben sie ohne zusätzliche Schulden überlebt, denn sie froren ihre Aktivitäten ein. Erst im Frühjahr 2023, als abzusehen war, dass sich eine neue Normalität einstellt, nahmen sie ihre Spar- und Leihaktivitäten wieder auf. Die meisten von ihnen haben zwei oder drei Kreditrunden erfolgreich hinter sich. Das Geld investierten sie in landwirtschaftliche Aktivitäten, kauften Kälber oder Saatgut. Sie produzierten Kokosöl für schöne Haare und Tinkturen für die Haut, denn diese lassen sich gut verkaufen. Oder sie investierten in die Bildung ihrer Kinder. Die Stimmung ist gelöst, freudig, strahlend.

Mehr zu WARM

Die Welfare Association for the Rural Mass (WARM) wurde mit dem Ziel gegründet, Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung in den Dörfern rund um Tiruvannamalai zu verbessern. Heute unterhält WARM in Tamil Nadu 13 informelle Lernzentren für arbeitende Kinder und Straßenkinder und bietet drei Ausbildungsgänge für Schulabbrecher*innen an. Zusätzlich unterhält WARM ein Heim für Senior*innen und ein Kinderheim sowie eine organische Farm und einen kleinen Milchviehbetrieb. Seit 2001 fördert WARM zudem im Rahmen eines Mikrokreditprogramms Frauen aus ländlichen Regionen in ihrer Selbstständigkeit.

Die gemeinnützige Organisation Welfare Association for the Rural Mass (WARM) wurde 1983 gegründet. Der Gründer und erste Leiter der Organisation verstarb früh. Der heutige Geschäftsführer, K. Rajavelu, begann Ende der 90er Jahre für WARM zu arbeiten. Selbst als Kastenloser geboren, absolvierte er die Volksschule und lernte im Rahmen vieler Fortbildungen weiter. Als Kind war er selbst noch mit der rechtlosen Situation von Kastenlosen konfrontiert. So musste er mit seinem Vater zu seinem "Besitzer" gehen, um die Erlaubnis zu erhalten, die Schule zu besuchen. Im November 2023 wurde Herr Rajavelu von der Regierung Tamil Nadus als einziger NGO-Vertreter Tamil Nadus in die Regierungskommission für die Rechte Kastenloser und Indigener Gemeinschaften berufen. Dies ist eine große Auszeichnung für seine Arbeit und die Arbeit von WARM.

Der Distrikt Tiruvannamalai ist von Wäldern und Hügeln sowie der boomenden Tempelstadt Tiruvannamalai geprägt. Auf dem Land ist die Alphabetisierungsquote niedrig. Viele der Einwohner*innen sind Kastenlose oder gehören niedrigen Kasten an und sind ökonomisch marginalisiert und vielfach landlos. Häufig nehmen diese Menschen Darlehen zu horrenden Zinsen auf, belasten ihren ohnehin geringen Vermögenswert und verschulden sich fortschreitend. WARM bietet Fortbildungen im Hinblick auf Finanzwissen und Buchhaltung. Schulungen zielen darauf, berufliche Fähigkeiten zu stärken und Selbstständigkeit zu fördern. Das Mikrokreditprogramm hilft Frauen, Einkommen schaffende Tätigkeiten aufzunehmen und sich als Kleinstunternehmerinnen selbstständig zu machen.

Frauen eines Spar- und Leihzirkels in Indien präsentieren recyclebare Teller aus Baumrinde.
Spar- und Leihzirkel ermöglichen diesen Frauen in Indien ein eigenes Einkommen.
Presse für recyclebare Teller, hergestellt aus Baumrinde.
Kleinstunternehmen: Presse für recyclebare Teller aus Baumrinde.

Sie berichten, wie ihr Engagement im Laufe der Zeit dazu geführt hat, dass ihr Beitrag zur Familienökonomie deutlich gestiegen ist – und damit ihr Ansehen innerhalb der Familie. Unmittelbar deutlich wird dies auch dadurch, dass viele Männer einen etwas neugierigen, aber zugewandten Kreis um die Frauengruppen bilden und die Darstellungen der Anwesenden bekräftigen. Jede der Frauen trägt ein wenig Goldschmuck – auch dies ist ein Zeugnis davon, dass sie kleine Sparanlagen für sich tätigen konnten. Alles scheint rosig. So beginnen die Gäste sich zu fragen, was der Haken sein könnte.Und dieser findet sich auch. Die schwierige wirtschaftliche Lage hat auch in Indien zu rasanten Preisanstiegen geführt. Während früher mit einem Kleinkredit von umgerechnet 150 bis 300 Euro eine Unternehmung zu starten war, ist heute mindestens die doppelte Summe notwendig.

Allein durch ihre Sparanstrengungen und die Zinszahlungen für die Kleinkredite können die Frauen das Eigenkapital in ihren Zirkeln nicht schnell genug erhöhen, um so hohe Kredite vergeben zu können. Entweder sie vergeben weiterhin kleine Kredite oder die Frauen müssen sehr lange auf einen Kredit warten. Das sind aus ihrer Perspektive keine guten Lösungen für ihre Problemlagen.

So formulieren die Frauen einen Wunsch: Ob wir uns nicht für sie in Deutschland einsetzen könnten? Ob es nicht möglich wäre, Top-ups, also Mittel für die Steigerung ihres Eigenkapitals, zu erhalten? Ihre Sparbücher, ihre Buchhaltung und ihr Engagement sind überzeugend. So entsteht die Grundlage für diesen Aufruf.

Gerne würden wir in 2024 20 Spar- und Leihzirkel mit jeweils einem Top-up von 5.000 Euro fördern. Dies käme mindestens 400 Frauen zugute. Pro Frau wäre es ein einmaliger Spendenbeitrag von 250 Euro.

Spendenzweck

Indien: Top it up F176P