In Brasilien – einem Land scharfer Gegensätze – können sich nur die Wenigsten medizinische Versorgung und Geburtsbegleitung leisten. 32 Millionen Menschen leben in absoluter Armut und sind auf unzureichende staatliche Gesundheitsposten, "Postos de Saúde", angewiesen. Das Gesundheitssystem insgesamt ist nicht auf das Bevölkerungswachstum ausgerichtet: In der Region, in der die Casa Angela liegt, kommt es durchschnittlich zu 20.000 Geburten im Jahr; damit sind die zwei Krankenhäuser, die im Einzugsgebiet Campo Limpo und M'Boi Mirim im Süden São Paulos liegen, maßlos überlastet. Auch sind sie personell, materiell und infrastrukturell unzureichend ausgestattet. Deswegen weist das Personal die schwangeren Frauen ab oder behilft sich durch überdurchschnittlich viele Geburten in Form eines Kaiserschnitts (bis zu 95 Prozent), weil das schneller geht und die Ärzt*innen mehr daran verdienen. Etliche Betroffene erleben die Geburt als Erniedrigung, Ohnmacht und Entfremdung. Dies führt zu weitreichenden psychosozialen Störungen der frühen Mutter-Kind-Beziehung.
Vor diesem Hintergrund hat die Hebamme Angela Gehrke in den 80er Jahren die Initiative ergriffen, um Frauen ein förderliches Umfeld für die Geburt zu bieten. Zunächst war sie ambulant tätig; 1997 errichtete ACMA ein Ambulatório, in dem sie fortan Geburtshilfe leisten konnte. Später führte Anke Riedel die Arbeit fort und gründete 2007 zusammen mit ACMA das Geburtshaus Casa Angela, so genannt in Ehrung und Anerkennung von Angela Gehrke. Es wurde 2009 eröffnet.
Die Casa Angela hat sich zum Ziel gesetzt, Neugeborene, die inmitten der kargen, harten und entwicklungsfeindlichen Realität der Favelas das Licht der Welt erblicken, respekt- und liebevoll in die menschliche Gemeinschaft aufzunehmen und sie durch einen würdigen Lebensbeginn in ihrer gesunden, körperlichen und seelischen Entwicklung zu unterstützen.