Peru: Gehörlose erweitern ihre Sprache

13.11.2025

Sprache strukturiert und fasst unsere Wahrnehmung. Junge Gehörlose wollen ihre Sprache erweitern und damit auch ihre Teilhabe an Welt und Gesellschaft.

Wer im Norden Perus in der Region Cajamarca unterwegs ist, ahnt nicht, dass hier ein Hotspot gehörloser Menschen ist. Angefangen hat es im Eiscreme­-Unternehmen von Luz Marina Benzunce und Pim Heijsters, genauer: mit ihrer ersten Buchhalterin, die gehörlos war. So startete das Unternehmerehepaar 2010, Menschen mit Hörbehinderungen zu unterstützen. Später mündete das Engagement in die Gründung der Asociación Holanda. Heute werden 79 Kinder und Jugendliche gefördert. Zum Beispiel, indem sie in der Schule durch Über­ setzer*innen für Gebärdensprache begleitet werden. Zehn der so geförderten Jugendlichen studieren, weiter begleitet von Dolmetscher*innen, sogar an Universitäten.

Ausdrucksmöglichkeiten der Gebärdensprache vervollständigen

Unter den Geförderten verstehen sich einige als „neue Generation“. Sie treten an, ihre Sprache systematisch zu erweitern. Sie alle eint der starke Wille, die Komplexität und Differen­ziertheit der Gebärdensprache zu erhöhen und sie zu internationalisieren. Sie verstehen sich als Rollenmodelle sprachlicher Gestaltung, als „modelos linguísticos“. Dank der Förderung durch unsere Partnerorganisation Asociación Holanda haben sie einen außergewöhnlichen Bildungsweg absolviert.

Sie treffen sich neben dem Studium oder ihrer Arbeit, meist in den Räumen der Asociación Holanda, und leben ihre Sprache: Auf der einen Seite fliegen die Hände durch die Luft. Sie beschreiben Konkretes und Einfaches, aber eben auch Abstraktes und Komplexes. Das kann Erlebtes sein, Philosophisches, Organisatorisches oder Persönliches wie Wünsche und Träume oder die ganze Bandbreite der Gefühle. Auf der anderen Seite übersetzt das Gegenüber die Inhalte bis ins Detail, digitalisiert per Sprach-­ und Videoaufzeichnung.

Eine Geste der Zuneigung oder das Zeichen für „Ich liebe dich“ – hier ist allerdings die Süßspeise gemeint. Gemeinsam arbeiten „modelos linguísticos“ an der Ausweitung der Gebärdensprache.

Erweiterung des Sprachrepertoirs im stetigen Austausch

Vor allem aber werden ihre Ergebnisse für die internationale Gemeinschaft der Gehörlosen verfügbar: ob bei den regel­ mäßigen Treffen der „modelos linguísticos“ in den Räumen der Stiftung, im stetigen Austausch zwischen ihnen, mit Eltern, Lehrkräften und weiteren Interessierten oder mit internationalen Organisationen und Wissenschaftler*innen. Diese bereisen die Region, die inzwischen weit über Peru hinaus als Zentrum für Gebärdensprache bekannt ist. Sie dokumentieren ihre Sprache in all diesen Begegnungen und entwickeln sie weiter.

Dass sie die Gebärdensprache überhaupt auf diese Weise leben können, hat mit der Arbeit der Dolmetscher*innen zu tun. Viele von ihnen gehören selbst zu den „modelos linguísticos“.

Dolmetscher*innen als Brücke aus der Bildungsarmut

„Viele gehörlose Kinder kommen nicht ausreichend mit Gebärdensprache in Kontakt. Dies kann zu Verzögerungen in der sprachlichen und kognitiven Entwicklung führen“, nennt Pim Heijsters einen der Beweggründe für ihn und seine Frau, sich so stark zu engagieren. Die allermeisten Gehörlosen in Peru, so Heijsters, leben in einem Teufelskreis aus Armut und Bildungsmangel. Gezielte Unterrichtung in der Gebärdensprache und Begleitung durch Dolmetscher*innen brechen diesen Kreislauf auf.

Deshalb stehen weitere therapeutische Lernhilfen und Logopädie gerade für die Kleinsten im Zentrum ihrer Arbeit. Ebenso die Begleitung in der Schule und am Arbeitsplatz. Dazu kommen Nachhilfestunden am Nachmittag. Allein diese summierten sich im Jahr 2024 auf 2.196 Stunden. Für die Übersetzung wurden 9.612 Stunden in der weiterfüh­renden Schule und 1.148 Stunden in der Universität geleistet.

Die Arbeit wird von uns und zwei weiteren Einrichtungen aus den Niederlanden gefördert. Wir würden 2026 gerne 30.000 Euro beitragen. Dies entspricht 380 Euro pro Jahr und Kind für die aktuell 79 geförderten Kinder und Jugendlichen.

Mehr zu Asociación Holanda

Asociación Holanda unterstützt Menschen mit Hörbehinderungen in Peru und hilft ihnen, sich im Alltag zurechtzufinden. Die Hilfe erfolgt in Form von Therapien, Lernhilfen oder in Form einer Begleitung am Arbeitsplatz. 2023 profitierten 71 Kinder und Jugendliche von diesem tatkräftigen Einsatz eines Pychologen, von fünf Therapeut*innen, zwei Gebärdensprachlehrer*innen, acht Gebärdensprachinterpret*innen und fünf Betreuer*innen für Hausaufgaben. Weitere 17 Menschen fanden, beraten und begleitet von Mitarbeitenden der Asociación Holanda, einen auf ihre Bedürfnisse angepassten Arbeitsplatz.

Die Zusammenarbeit mit der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung begann 2013. Damals stand zunächst die Integration von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt im Vordergrund. Heute hat die Hilfe vor allem die therapeutische, bzw. logopädische Förderung von gehörlosen Kindern zum Ziel. Darüber hinaus werden Dolmetscherdienste in Gebärdensprache angeboten, um Kindern und Jugendlichen auf diese Weise die Teilnahme an Unterricht, Studium und Ausbildung zu ermöglichen.

Das Programm "Empleo con apoyo" (Arbeit mit Unterstützung) ist unter dem Dach der Asociación Holanda in Cajamarca angesiedelt. Die zwei ehemaligen Lehrerinnen Mercedes Rodríguez und Gina Rodríguez Paredes begleiten zurzeit neun junge Menschen mit Behinderungen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Die Finanzierung dieser Initiative begann 2012 durch einen Stiftungsfonds der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung.

Pim Heijsters, gebürtig aus Holland, arbeitete für verschiedene internationale Organisationen, bevor er im Norden Cajamarcas auf die Milchverarbeitungsexpertin Luz Marina Benzunce Pacheco traf. Überdrüssig des Umherziehens und der Entwicklungszusammenarbeit in Projektlaufzeiten von drei bis vier Jahren, entschied sich Pim Heijsters, in Cajamarca zu bleiben und gründete zusammen mit Luz Marina eine Eisfabrikation mit angeschlossener Eisdiele. Eine ihrer ersten Mitarbeiterinnen war gehörlos. In dieser Zusammenarbeit lernten die beiden die Schwierigkeiten kennen, denen sich Gehörlose stellen müssen, zumal wenn sie aus benachteiligten Familien stammen. Dies motivierte sie zur Gründung von Asociación Holanda.

Die Gebärdensprachen-Dolmetscherinnen Lidia Silva, Margot Cordova und Jennifer Lora bereiten ihren Unterricht vor.

Spendenzweck

Peru: Integration von Gehörlosen F338