Was ist „KI“ und welche Kompetenzen braucht es im Umgang mit „KI“?

09.12.25

Sie ist da, mitten in unser aller Leben, ob wir es wollen oder nicht: die so genannte Künstliche Intelligenz (KI). Wie beeinflusst „KI“ gemeinnützige Arbeit, insbesondere unsere Stiftungsarbeit? Welche Gefahren sehen wir? Und wie gehen wir mit Chancen und Risiken um? Diese Fragen diskutierten wir angeregt beim diesjährigen Werkstattgespräch der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung.

Für zwei intensive Werkstatt-Tage haben wir Stiftungsrat und Kuratorium eingeladen, gemeinsam mit den Mitarbeitenden in Klausur zu gehen. Das Ziel: Grundlagen schaffen zur Erarbeitung unserer eigenen KI-Richtlinien. Dafür haben wir unsere Denkräume zunächst weit geöffnet: Mit zwei fast schon gegensätzlichen Impulsgebern. Johannes Schricker, Mitgründer der kulturator-Stiftung, und Roberto Simanowski, Medienphilosoph und Buchautor, steckten einen weiten Rahmen zwischen bislang Unvorstellbarem, das durch „KI“ bzw. Large Language Models möglich wird – und dem, was „KI“ mit unserem Denken, unserer Wahrnehmung von Realität und mit uns als Weltgesellschaft macht.

Werkstattgespräch legt Grundlagen für Umgang mit „KI“

„Noch nie hat Technologie so unmittelbar in Sprachbildung und Wahrnehmung eingegriffen. Und da wir das denken, was wir benennen können, wird sogar das Denkbare neu strukturiert. Das Lebendige, Echte und das Künstliche verwischt“, stellt Stiftungsvorständin Dr. Annette Massmann den beiden Impulsen voran. „KI ist aber längst Realität, wir alle haben jeden Tag unbewusst oder bewusst mit ihr zu tun. Dieses Werkstattgespräch soll uns deshalb helfen, gemeinsam die Grundlagen für unseren Umgang damit zu legen.“

Roberto Simanowski bezeichnet KI als Sprachmaschinen. Denn jede KI-Anwendung nutzt Sprache – Unmengen an Daten, die Wörter sein können oder technische Codes. Mit diesen Sprachmaschinen, so seine Botschaft, laufen wir mehr als mit jeder anderen Technologie der Menschheitsgeschichte Gefahr, das menschliche Denken mit all seinen Assoziationen, Widersprüchlichkeiten und genialen Ideen abzugeben: an statistische Häufigkeiten.

Sprachmaschinen spielen Ansichten der Mehrheit aus

„Wir werden immer weniger umhinkommen, dem Durchschnitt zu folgen“, prophezeit Simanowski. Denn Sprachmaschinen schaffen nichts, was vorher nicht da war. Sie geben rein statistisch die Datenmuster wieder, die in der Datenmasse am häufigsten vorkommen. Zusammenhänge von Wörtern – positiv oder negativ – nutzt die Technologie so, wie die große Mehrheit sie nutzt. Und spielt damit die Ansichten und Wertvorstellungen dieser großen Mehrheit in ihren Produkten aus.

 
Roberto Simanowski, Medienphilosoph und Buchautor, betonte in seinem Impuls den Charakter der sogenannten Künstlichen Intelligenz als Sprachmaschinen, die das wiedergeben, was sie am häufigsten finden.

„Wer trainiert die KI auf Ethizität – mit welchen Werten, welchem Mandat und für welche Kulturen? Wie glaubwürdig ist das Mainstreamen unter ethischen Gesichtspunkten, wenn „KI“-Konzerne die Datenfütterung zu Hungerlöhnen in den globalen Süden auslagern?“

Fragen aus den Diskussionen im Werkstattgespräch

 

Das befeuert die Diskussion der Werkstattgespräch-Runde: Wenn die Datenbasis von den Kulturen geprägt ist, die sich Internetzugänge leisten können: Reicht es, wenn die „KI“ nacherzogen wird, wie es in der Praxis in den Konzernen geschieht? Damit auch Minderheiten stattfinden und Begriffe wie Erfolg beispielsweise nicht nur mit „weiß“ und „männlich“ verknüpft sind?

Wer übernimmt diese „Nacherziehung“ – mit welchen Werten und welchem Mandat? Und können die zugrunde gelegten Werte für die Weltgesellschaft gelten – sind arrangierte Hochzeiten beispielsweise überall so negativ besetzt wie im globalen Norden? Braucht nicht jede Kultur ihre eigene KI – so wie China und die USA sie schon haben? Und wie glaubwürdig ist eine „Ethisierung“, wenn dieselben Konzerne das Einfüttern der Daten zu Hungerlöhnen und miserablen Bedingungen in den globalen Süden auslagern?

So klar die Antwort auf die letzte Frage ist: Viele andere sind weder einfach noch klar zu beantworten. Klarer wurde aber das Verständnis davon, welche offenen Fragen, Chancen und Risiken die Technologie birgt.

„KI“ für das Gute nutzen

Den Blick für die Chancen zu schärfen, ist das Anliegen von Johannes Schricker. Seine Stiftung nimmt sozialen und kulturellen Initiativen Bürokratie ab, damit sie sich auf ihr gesellschaftliches Wirken konzentrieren können – auf das Gute. „Es gibt 1001 Gründe, warum KI schlecht ist. Aber sie ist da, und deshalb möchte ich darauf schauen, was wir damit gemeinsam Gutes tun können“, betonte er in seinem Impuls. Und zeigte auf, wie er das macht: einfach loslegen und entdecken, wie Technologie die Stiftungsarbeit massiv erleichtern kann.

Impulsredner Johannes Schricker inspirierte mit seinem spielerischen Umgang, um die Möglichkeiten, die „KI“ Stiftungen eröffnet, für gesellschaftlich wertvolle Ziele zu nutzen.

Offenheit für technologische Möglichkeiten und berechtigte Bedenken

Ein Beispiel, das er mitgebracht hatte, ist die Programmierung einer komplexen Buchhaltungsablage. Und zwar so, dass Details aus einem Datenwust mit zwei Klicks zusammengestellt werden können. Dafür brauchte es früher Programmierkenntnisse und mehrere Tage. „Jetzt lasse ich die „KI“ programmieren – und in wenigen Stunden habe ich die Anwendung.“ Und zwar durch bezahlte „KI“-Angebote so, betont Schricker, dass niemand mitlesen kann – Stichwort Datenschutz.

Johannes Schricker teilte mit dem Kreis seine Vision einer großen Wissensdatenbank zum Austausch von Stiftungen. Auch dieser Punkt führte zu einer Debatte über Risiken und offene Fragen der Nutzung solcher Potenziale. Wie steht so eine Wissensdatenbank im Verhältnis zum enormen Ressourcenverbrauch durch „KI“? Ist abstraktes, weil aus dem Kontext lokaler Realitäten genommene Wissen noch Wissen, das ohne Weiteres replizierbar ist? Wie stellen wir sicher, dass Daten nicht gegen unsere Projektpartner eingesetzt werden – etwa durch Weitergabe an Institutionen, die den Regenwaldschutz sabotieren möchten oder andere, ökonomische und politische Ziele unserer Partner nicht teilen?

Grundlagen erarbeiten für eigene Richtlinien zum Umgang mit KI

Mit beispielhaften Richtlinien anderer Stiftungen und Leitfragen erarbeitete sich die Runde gruppenweise im Anschluss an die lebhaften Diskussionen Grundlagen, die in die „KI“-Richtlinien der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung einfließen sollen.

Am Ende, so auch ein Fazit des Werkstattgesprächs, ist die Frage nicht ob, sondern wie: Wie verschaffen wir uns oder wie erhält die Gesellschaft die nötige Medienkompetenz, damit Sprachmaschinen uns nicht das Denken und Erkunden von Gedankenwelten abseits des Mainstreams nehmen – zentrale Grundlage für unser Verständnis von internationaler Zusammenarbeit?

Werkstattgespräch der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung

Das jährliche Werkstattgespräch unserer Stiftung ist mehr als nur eine Gelegenheit zum Austausch – es bietet Raum für völlig offenes Denken. Es regt dazu an, tief in die drängenden Fragen der Gegenwart einzutauchen und nach Lösungen für die Zukunft zu suchen: für die Entwicklungszusammenarbeit, für ein friedliches und gerechtes Zusammenleben auf diesem Planeten und für unser Handeln als Stiftung. Dazu kommen die Mitarbeitenden und Gremienmitglieder der Stiftung zusammen sowie, je nach Fokus, externe Gäste. 

Zum Werkstattgespräch 2024
Das Werkstattgespräch 2025 war von lebhaften Diskussionen über den Nutzen und die Risiken von „KI“ geprägt.