Nepalesischer Bio-Pionier lädt in Bochum zum Tee
16.07.2025
Wie wird die kleinbäuerliche Landwirtschaft Nepals zur nachhaltigen und perspektivreichen Lebensgrundlage? Der Mitbegründer von Organic Venture Nepal (OVN) war in Bochum. Im Gepäck: beeindruckende Antworten und Tee.
Der direkte Weg muss her. Das war für Bishnu Pokhrel klar, noch ehe er sich in Kathmandu fürs Agrartechnik-Studium einschrieb. Als Sohn einer Kleinbauernfamilie aus dem Süden Nepals kannte er die Umwege, die landwirtschaftliche Produkte gehen, ehe sie bei den Kundinnen und Kunden ankommen, nur zu gut. Denn zwischen kleine Landwirtschaftsbetriebe und Nachfrage schaltet sich in Nepal üblicherweise der Zwischenhandel – mit dem Ergebnis, dass ein Großteil der Erlöse dort hängenbleibt und Bauernfamilien wie den Pokhrels von ihren Produkten selten genug zum Überleben bleibt.
Den direkten Weg gehen heißt also, Kleinbäuerinnen und -bauern unmittelbar mit ihren Kundinnen und Kunden zusammenbringen – ganz ohne Zwischenhandel. Und zwar mit gesunden, organisch produzierten Lebensmitteln, ohne die in Nepal übliche Chemie. Für Bishnu Pokhrel ist das eine Lebensaufgabe.
Bishnu Pokhrel nimmt GLS Mitarbeitende mit auf seinen Lebensweg
Wie weit er dabei schon gekommen ist, erfuhren die Mitarbeitenden der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung (GLS ZSE) und der GLS Treuhand von ihm aus erster Hand. Auf der ersten Deutschlandreise seines Lebens machte er zwischen Besuchen bei Partnern und Biolandwirtschafts-Betrieben Station in Bochum.
„Es macht mich unfassbar glücklich, hier zu sein“, sagt der Mitbegründer von Organic Venture Nepal (OVN) und umfasst mit einer Geste den Raum des GLS-Standorts. Hier hat er zum Tee aus organischem Anbau der OVN-Partnerbetriebe geladen. „Seit 25 Jahren bin ich mit der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung verbunden. Jetzt bin ich zum ersten Mal dort, von wo ich so viel Unterstützung erhalten habe.“
Zunächst als Mitarbeiter von SECARD, einer der früheren Projektpartner der GLS ZSE in Nepal. Während er hier Bäuerinnen und Bauern im organischen Landbau schulte, wurde sein Lebensziel immer klarer: „Nach den Schulungen gab es hochwertige, chemisch unbelastete Lebensmittel in so ausreichenden Mengen, dass sie den Bauernfamilien ein ausreichendes Einkommen hätten einbringen können – wenn sie direkten Zugang zur Konsumentenseite hätten.“ Stattdessen verrotteten die Produkte oft, weil der Transport zu den Märkten nicht gewährleistet war.
Basierend auf langjähriger Erfahrung im organischen Landbau, gründete Bishnu Prasad Pohkrel 2022 mit Freunden Organic Venture Nepal (OVN). Ziel ist es, gemeinsam mit Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die hochwertige Produkte im organischen Landbau produzieren, eine direkte, faire Vermarktungsmöglichkeit zu schaffen, die einen angemessenen, gewinnbringenden Verkaufspreis, langfristige Lieferbeziehungen und stetige Fortbildung vorsieht. OVN betreibt in Kathmandu eine eigenen Vertriebsstätte mit Verkaufsraum und Lager und unterstützt die kooperierenden Bäuerinnen und Bauern dabei, eine anerkannte Zertifizierung für ihre Produkte zu bekommen.
Erwirtschaftet OVN Gewinne, darf es diese als Sozialunternehmen nur für den Unternehmenszweck reinvestieren, d.h. die Vermarktung erweitern und so weitere Bäuerinnen und Bauern fördern.
Bishnu Pokhrel lebt mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern in Kathmandu. Mit seiner Idee, eine eigene Firma zu gründen, die organisch angebaute Produkte vermarktet, erfüllt er sich seinen Lebenstraum als sozial engagierter Unternehmer aktiv zu werden.

Organic Venture Nepal: bäuerliche Produktion ohne Zwischenhandel vermarkten
Die Umsetzung seines Lebensziels begann mit der Gründung von OVN. „Ich war nicht sicher, ob ich das wirklich schaffen konnte. Immerhin war ich kein Unternehmer“, erzählt er beim Tee in Bochum: „Aber zusammen mit Freunden und dank der Ermutigung durch die GLS Zukunftsstiftung Entwicklung habe ich 2022 die Gründung gewagt.“
Seither arbeitet OVN am direkten Weg: Das Sozialunternehmen übernimmt die Vermarktung organisch angebauter Lebensmittel von Kleinbäuerinnen und Kleinbauern und schult sie im organischen Landbau. OVN hat zudem eine zentrale Verkaufsstelle in Kathmandu aufgebaut, die die Lagerung und den Direktverkauf der Produkte ermöglicht. Auch die Verpackung der Produkte und Verbraucherschulungen zu gesunden, ökologisch und regional angebauten Lebensmitteln sowie der Unterhalt eines inzwischen sehr beliebten Cafés laufen im „Organic Venture Mart“.
Mehr als 3.100 Kundinnen und Kunden zählt OVN heute, Tendenz steigend: Allein von Januar bis heute hat sich die Kundenzahl verdoppelt – ein Erfolg von Bishnu Pokhrels Ehefrau Rama: „Die Werbung läuft fast komplett über Social Media. Meine Frau postet regelmäßig Videos zu den Produkten und weiteren Themen, etwa auf Tiktok.“
1.000 Kleinbäuerinnen und -bauern haben durch OVN heute direkten Marktzugang
Soweit die Zahlen. Doch was sagt der Agrartechniker Bishnu Pokhrel selbst: Hat er es als Unternehmer geschafft? Die Zahlen, die er neben feinaromatischen goldenen, weißen, schwarzen Tees und Gewürzen mitgebracht hat, sprechen eine eindeutige Sprache: Die Produkte von 1000 Kleinbäuerinnen und -bauern aus 38 der insgesamt 77 Distrikte Nepals hat OVN schon in die Direktvermarktung zu fairen Preisen aufgenommen. Sobald sie einen Abnahmevertrag mit OVN eingehen, erhalten sie zudem Schulungen im organischen Landbau, um die Vertragsinhalte verstehen und erfüllen zu können.
Sämtliche Gewinne des Sozialunternehmens fließen in den Unternehmenszweck zurück: OVN möchte der Zielgruppe, insbesondere Frauen mit ihrem hohen Wirkungsgrad in Familien und Gemeinden, eine würdige, nachhaltige Lebensperspektive als Kleinunternehmerinnen und -unternehmer ermöglichen.

Unterstützung von Frauen und kleinbäuerlichen Gruppen ist besonders wirksam
Am besten gelingt dies gemeinsam: Da OVN von seinen oft sehr kleinflächig anbauenden Lieferpartnern selbst Kleinstmengen abnimmt, vereinfacht die Bündelung der Gruppenproduktion die Logistik. Zudem können sich die Mitglieder bei finanziellen Engpässen unterstützen oder gemeinsam kleine Betriebe aufbauen, die auch Verpackung und Vermarktung selbst übernehmen. Neben dieser Zurückverlagerung der Wertschöpfung ist die Gruppenzertifizierung im Bio-Anbau ein wichtiges strategisches Ziel von OVN. „Hier müssen wir noch viel Überzeugungsarbeit leisten. Der aufwändige Zertifizierungsprozess lohnt sich. Aber nicht durch höhere Preise, wie die meisten denken, sondern durch mehr Verbrauchervertrauen“, sagt Bishnu Pokhrel.
Für die eigene Tragfähigkeit brauchen Bio-Pioniere noch Unterstützung
Während er seine Präsentation gestenreich mit eindringlicher Stimme vorträgt, ist für die Bochumer Teerunde greifbar: Bishnu Pokhrel, Agrarexperte und Unternehmer, ist mit ganzem Herzen mittendrin in seiner Lebensaufgabe. Trotz der beeindruckenden Erfolge bleibt noch einiges zu tun, bis OVN auf eigenen Füßen steht, kurze Wege geschaffen sind und seine Vision wahr wird: die organische Biolandwirtschaft in Nepals Gemeinden zur Grundlage für eine würdige, nachhaltige und perspektivenreiche Lebensweise zu machen.
Dafür braucht OVN Unterstützung: 4.800 Euro im Jahr finanzieren beispielsweis Miete, Strom und Wasser für die Verkaufsstelle, 8.500 Euro sichern die Gehälter dreier zentraler Personalstellen. 120 Euro pro Bäuer*in und Jahr ermöglichen die Beratung im organischen Landbau und die Ausstattung mit Material und Werkzeugen.
