Eine Schule, die stärkt


Nepal ist eines der ärmsten Länder der Welt. Über 50 % der Bevölkerung lebt von weniger als 2 US$ am Tag. Die Alphabetisierungsrate hat sich in den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, jedoch gibt es immer noch eine große Kluft: Zwei Drittel der Männer können mittlerweile lesen und schreiben, aber nur die Hälfte der Frauen. Gerade Kinder aus finanziell schwachen Familien haben kaum Aussicht auf eine gute Schulbildung. Das wollen die Lehrer*innen der Wisdom School ändern.

 

Mehr über die Wisdom English School

2003 schloss sich eine Gruppe junger Studentinnen unter der Leitung von Sulochana Dumaru zusammen. Ihr Ziel war es, Bewusstsein für die Probleme armer Frauen in Bhaktapur, der ehemaligen Königsstadt in Nepal, zu schaffen. Bei der praktischen Arbeit erkannten sie, dass eine wirksame Veränderung bereits von Kindesbeinen an beginnen muss. Und dies vor allem dadurch, dass auch Mädchen Bildungschancen geboten werden. Dies führte zur Gründung der Wisdom English School: eine privat getragene Schule, die von dem großen Einsatz der Menschen vor Ort lebt.

Heute ist die Wisdom English School in Bhaktapur, Nepal, eine Schule für Kinder aus armen und zumeist ländlichen Verhältnissen und für Kinder von Saisonarbeitenden. Viele stammen aus Familien von Teppichknüpfer*innen oder aus Familien, die in der Herstellung von Backsteinen arbeiten. Die Schule stellt sich die Aufgabe, benachteiligten Kindern zu helfen und Zugang zu Bildung und Ernährung zu ermöglichen. So soll insbesondere die Kinderarbeit in den ländlichen Bezirken um Bhaktapur verringert werden.
Die Zukunftsstiftung Entwicklung kooperiert mit der Wisdom English School seit 2013.

Heute besuchen rund 140 Kinder aus marginalisierten Familien die Wisdom English School

In Nepal ist das Kastensystem formalrechtlich abgeschafft. Im Alltag bestimmen Kasten allerdings weiterhin die soziale Position und damit auch den Zugang zu Schule, Ausbildung und Einkommen. Die Wisdom English School wurde 2003 auf Initiative von Studierenden gegründet und wird vom Forum for Awareness of Women geführt. Intention war und ist, Analphabetismus und mangelhafte Ausbildung zu bekämpfen. Deshalb starteten sie damals – mit sieben Kindern – und unterrichteten Lesen, Schreiben und Rechnen.

Heute ermöglicht die Schule rund 140 Kindern aus marginalisierten Familien Zugang zu Schulbildung. Sie erhebt nur sehr niedrige Schulgebühren und vergibt Stipendien. Viele der Eltern arbeiten als Teppichknüpfer*innen oder in der Herstellung von Backsteinen. Sie können nur einen sehr geringen Beitrag leisten (bis zu 250 nepalesische Rupien/Monat, ungefähr 1,75 Euro) und kein Geld für Schulmaterialien und Schuluniformen aufbringen. Die Schule ist deshalb auf Spenden angewiesen, mit denen sie den Großteil ihres Unterhaltes bestreitet.

Samen müssen gepflegt werden…

Sulochana Dumaru ist die Vorsitzende des Fördervereins der Wisdom English School. Bezugnehmend auf das Zitat: ,,Wenn ein Samen sorgfältig gepflegt wird, wird er zu einer starken Pflanze und bringt bessere Früchte“,  beschreibt sie den Auftrag der Schule wie folgt: „Kinder müssen bereits in ihrer frühesten Kindheit eine gute Förderung erfahren - genau daran arbeiten wir. Ich bin sicher, dass unsere Schüler*innen in der Zukunft einen Unterschied in dieser Welt machen werden.“
Neben der Förderung des Lesens, des Schreibens und des Rechnens sind deshalb auch Bewegung und Kreativität sowie die Förderung der sozialen Entwicklung Bestandteil des Lehrplans. Durch verschiedene interreligiöse Aktivitäten fördert die Schule interkulturelle Kompetenz. So werden verschiedenartige Feste, die in Nepal gefeiert werden, mitgefeiert. Zum Beispiel das Holi-Fest (Fest der Farben), Weihnachten, das Opferfest für die „Göttin des Wissens“, oder das Lichterfest.

Schule als erlebte Chance

Einer der Schüler, von denen Sulochana Dumaru spricht, ist der heute 15-jährige Bipesh Karki. Seine Eltern sind Tagelöhner*innen. Geboren wurde er in einer abgelegenen Region Nepals. Schon früh wurde er von seinen Eltern in einen Ashram nach Kathmandu geschickt, weit weg von Heimat und elterlicher Fürsorge. Er wechselte häufig die Schule, begann, Schule und Unterricht abzulehnen und ging dann gar nicht mehr hin. Als seine Eltern diese Entwicklung bemerkten, beschlossen sie, gemeinsam mit ihm nach Bhaktapur zu ziehen und ihn dort auf eine staatliche Schule zu schicken. Nachdem er auch in dieser Schule negativ auffiel und häufig dem Unterricht fernblieb, empfahlen Nachbar*innen den Eltern die Wisdom English School.

Die Verzweiflung der Eltern und der bisherige Werdegang Bipesh´s weckten den Ehrgeiz der Lehrer*innen, Bipesh eine neue Chance zu geben und ihn von den positiven Aspekten ihrer Schule zu überzeugen.
In einem ersten Gespräch zwischen Schule und Eltern stellte sich heraus, dass Bipesh Schwierigkeiten bei der Erledigung seiner Aufgaben hatte. Nicht unterschriebene Abwesenheitsnotizen belegten, dass Bipesh weiterhin häufig die Schule schwänzte. Nach einem Gespräch zwischen Lehrer*innen, Eltern und Bipesh wurde klar, dass sein Fernbleiben mit den häufig unerledigten Aufgaben zusammenhing, die er zu Hause nur schwer bewältigen konnte. Gemeinsam beschlossen sie, die Menge an Aufgaben für Bipesh zu verringern und ihm mehr Zeit und Spielraum bei seinen Aufgaben einzuräumen. Zudem intensivierte die Schule den Kontakt zu Bipesh´s Eltern, um schnell auf sich andeutende Schwierigkeiten reagieren zu können.
Allmählich begann Bipesh, die Schule regelmäßig zu besuchen, und seine Beziehungen zu Freund*innen und Lehrer*innen intensivierten sich. Zudem war es ihm immer häufiger möglich, seine Aufgaben eigenständig zu erledigen. Mittlerweile nimmt Bipesh an unterschiedlichen Schulaktivitäten teil. Auch seine Prüfungen konnte er zufriedenstellend abschließen. Während der gesamten Zeit begleiteten ihn seine Klassenkamerad*innen mit viel Offenheit und Empathie.

Samen brauchen einen guten Nährboden

Um bei Sulochana‘s Metapher zu bleiben: Samen müssen nicht nur gepflegt werden, sie benötigen auch einen guten Nährboden und ein förderndes Klima. In diesem Sinne bemühte sich die Schule in den vergangenen Jahren, die Lernumgebung für alle nachhaltig zu verbessern. Mit Hilfe und unter großem Einsatz der Gemeinde konnte die Schule 2019 in ein eigenes, neues Gebäude umziehen. Es ist heller und freundlicher und bekommt viel Sonnenlicht. Auch sind die Klassenräume größer, was die Lehr- und Lernatmosphäre zusätzlich verbessert. Seit kurzem gibt es einen gepflasterten Schulhof, auf dem die Kinder spielen können. Durch weniger aufgewirbelten Staub konnte die Luftqualität vor Ort verbessert werden.

Um den Neubau fertig stellen zu können, müssen im Jahr 2021 noch kleinere Sanitärarbeiten ausgeführt werden; außerdem sollen weitere Geräte für den Spielplatz angeschafft werden. Hierfür sind rund 1.800 Euro veranschlagt.

Wegen der Corona-Pandemie bleiben die Schulgelder aus und die Ausgaben für mobiles Lernmaterial und Hygienemaßnahmen sind gestiegen. Das brachte die Wisdom English School (so wie viele andere Schulen auch) 2020 in finanzielle Bedrängnis. Deshalb sind für die Deckung der laufenden Kosten 2021 rund 16.000 Euro an besonderer Unterstützung notwendig.

2019 konnte die Schule in ein eigenes neues Gebäude umziehen