Inmitten einer hügeligen und fruchtbaren Landschaft unweit der Großstadt Xalapa im Bundestaat Veracruz liegt das Ausbildungszentrum Agrosol. Die Kooperative bietet eine duale Ausbildung in biodynamischem Landbau und integrierter Wirtschaftsweise. In einem Bildungsumfeld, das vor allem auf theoretischen Frontalunterricht und den Erhalt eines Abschlusstitels fokussiert, war es zunächst nicht leicht, Interesse bei jungen Mexikaner*innen für eine sehr praktisch ausgerichtete Ausbildung zu wecken. Lernen, Arbeiten und Leben auf dem Hof sind bei Agrosol die Regel, und damit auch die Übernahme typischer Aufgaben: vom Kühe-melken, Zäune reparieren bis hin zum Stallausmisten. Abends steht dann meist noch eine Unterrichtseinheit auf dem Lehrplan – das ist nicht jedermanns bzw. jederfraus Sache. Die Auszubildenden bei Agrosol sind zwischen 16 und 34 Jahren alt, stammen meist aus Kleinbauernfamilien oder Elternhäusern mit kleinem Landbesitz.
Auch hier konzentriert sich die Ausbildung auf die ökologische und kleinbäuerliche Land- und Forstwirtschaft, Tierhaltung sowie die Weiterverarbeitung von Produkten. Die Wissensvermittlung geschieht vor allem auf dem Feld beim gemeinsamen Anbau von Gemüse, Mais, Bohnen und Kaffee, bei der Pilzzucht und der wesensgerechten Haltung von Milchkühen, Ferkeln und Mastschweinen, Schafen, Ziegen, Hühnern, Enten und Bienen. Die Auszubildenden können individuelle Schwerpunkte setzen und Zusatzqualifizierungen bei kooperierenden Betrieben erwerben. Die gewählten Themen reichen dabei von Fischzucht bis zur Herstellung von Bambusmöbeln.
Welche Früchte diese Pionierarbeit trägt, sieht man vielleicht am besten aus der Perspektive der Absolventen: Jorge Zatarain, einer der ersten Lehrlinge bei Agrosol, eröffnete im Anschluss an die Ausbildung ein Restaurant in Xalapa, wo er die erworbenen Kenntnisse rund um gesunde Lebensmittel unmittelbar umsetzte. „Als die Covid-19-Pandemie in Mexiko ausbrach, stellte ich auf Essenslieferungen um. Die Kund*innen konnten nun über eine App ihre Mahlzeiten bei mir bestellen. Die Nachfrage stieg so rasant, dass ich eine weitere Person einstellen musste. Auf die Stellenanzeige hin bewarben sich 130 Menschen! Sie alle verfügten über einen Universitätsabschluss, aber praktische Arbeitserfahrung hatte kaum eine*r vorzuweisen. Das rief mir unsere Diskussionen bei Agrosol über die Probleme des mexikanischen Bildungssystems in Erinnerung. An meinem nächsten freien Tag besuchte ich den Hof und wir vereinbarten, dass ich Agrosol mittels sozialer Medien und einer digitalen Plattform dabei helfen würde, neue Lehrlinge für den nächsten Lehrgang, der im Herbst losgeht, zu finden. Auf die digitale Ausschreibung hin meldeten sich 400 junge Menschen aus ganz Mexiko - eine riesige Überraschung für uns!“ Dann half Jorge Zatarain dem Ausbildungskoordinator, eine Vorauswahl geeigneter Kandidat*innen zu treffen. Er hat sich außerdem vorgenommen, ein Handbuch für das praxisbezogene Ausbildungskonzept von Agrosol zu schreiben.