Neben berufspraktischem Wissen erfahren die Frauen und Mädchen im Ausbildungszentrum auch praktische Lebenshilfe. Die zusätzlichen Beratungsangebote wie Alphabetisierungskurse, Rechtskunde, Frauengesundheit und grundlegende Einnahmen-Ausgaben-Rechnung unterstützen sie dabei, mit persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Problemen umzugehen. Die Kurse sind nicht nur für die Auszubildenden zugänglich, sondern für alle Frauen im Distrikt.
Achtung und Anerkennung
Da die Schülerinnen aus sehr armen Verhältnissen stammen, können es sich die Familien zumeist nicht leisten, die Frauen bzw. Mädchen täglich acht Stunden zum Lernen in eine Ausbildung zu schicken. Normalerweise nutzen sie diese Zeit, um im Haus zu arbeiten, zu betteln oder in reicheren Häusern zu putzen. Gerade junge Mädchen und Frauen werden oft als „lästige Esserinnen“ angesehen und deswegen in der Regel sehr früh verheiratet.
Wenn sie zu Hause nicht an den Mahlzeiten teilnehmen und sogar eine Ausbildungsbeihilfe (rund 25 Euro pro Monat) bekommen, gibt es bislang keinen Grund mehr, ihnen die Ausbildung zu verweigern. Wenn sie mit Hilfe ihres Berufes selbstständig Geld verdienen, erfahren sie in der Regel Achtung und Anerkennung in Familie und Gemeinschaft – und „haben dann bei allen Entscheidungen ein Wörtchen mitzureden“ (Zitat einer ehemaligen Auszubildenden).
Langfristig beeinflusst die im Ausbildungszentrum gewonnene Selbstständigkeit dieser Frauen das gesellschaftliche Leben in ihrem Umfeld und kann so zum Aufbau der Zivilgesellschaft beitragen. Wir hoffen, dass trotz der Machtübernahme durch die Taliban das Zentrum weitergeführt werden kann, da es sich lokale Anerkennung errungen hat.
Die Idee, für die Zeit nach der Ausbildung Werkstätten einzurichten, hat sich auch bei anderen A.L.S/NAZO-Ausbildungszentren in Kabul und Achmad Schah Baba Mina als tragfähig und umsetzbar erwiesen, ebenso bei den Schneidereiwerkstätten in Kartenau, Kamari und Nejrab. Absolventinnen, die später mehr als 50 Euro im Monat verdienen, beteiligen sich dann mit 10 Prozent ihres Verdienstes an den Unterhaltskosten der Werk- und Ausbildungsstätten. So kann ein Großteil der Betriebskosten selbstständig bestritten werden.