Prävention, Hygiene und Ernährung

Der Dreiklang aus Radiobotschaften, Gemüsegärten und Seifenproduktion soll helfen, die Auswirkungen der Pandemie in Massai-Gemeinden zu lindern.

Fährt man von Nairobi nach Südwesten in Richtung Tansania, erreicht man nach einigen Stunden auf holprigen Straßen die Region Kajiado. Dort arbeitet unser Projektpartner SACDEP im dritten Jahr mit 5.000 Massai-Haushalten an der Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Der Erhalt des gemeinschaftlichen Landbesitzes für Menschen und Wildtiere, verbesserter Zugang zu Wasser, Aufforstung, Grasbanken, um Dürrezeiten zu überstehen, der Bau von Rindertauchbecken zur Krankheitsbekämpfung und die Vermittlung von Anbautechniken des organischen Landbaus sind Komponenten dieses Projektes. Die Arbeit kam gut voran – bis zum umfassenden Lockdown mit Schließung aller Viehmärkte und ohne Aufklärung zum Schutz vor Ansteckung.

Dornige Akazien beherrschen das Massai-Gebiet. Gelbes, dürres Gras auf roter, staubiger Erde, so weit das Auge reicht. Obwohl Massai in Kenia eine Minderheit bilden, ist ihre traditionelle Kleidung und ihr Schmuck überaus symbolträchtig. Fotos traditionell gekleideter Massai werden immer wieder genutzt, um Kenia als Reiseziel zu bewerben. Für viele Kenianer*innen verkörpert die MassaiKultur die vorkoloniale Geschichte des Landes und stützt eine Art Nationalstolz. Sie ist heute ein Symbol für die reiche, diverse Kultur Kenias. Viele Massai leben auch heute halbnomadisch als Viehhirten und pflegen ihre Traditionen. Ihr Wohlergehen hängt fast ausschließlich vom Wohlergehen ihrer Viehherden ab. Die Massai waren noch nie so unter Druck wie heute. Massai-Gemeinden sind überwiegend in sogenannten group ranches organisiert. Dies bedeutet, dass das Land in gemeinschaftlichem Besitz ist. Dieser Gemeinschaftsbesitz wird aber seit einem neuen Nationalgesetz zu Landeigentum (2016) nicht mehr anerkannt. Früher zogen die Massai in Dürrezeiten in andere Gebiete Kenias oder nach Tansania. Heute ist das nicht mehr möglich, denn der Druck auf Land wächst. Die Millionenmetropole Nairobi dehnt sich mit riesigen Gewerbegebieten und neuen Siedlungen aus. Tansania schließt immer wieder die Grenzen für Viehhirten; häufig wurden aus Kenia kommende Rinderherden beschlagnahmt. Dazu kommen auch noch die Herausforderungen im Zuge der Pandemie.

Die Folgen von Corona bewältigen

Die Pandemie verlief in Kenia bislang in mehreren Wellen. Seit Anfang diesen Jahres ist die Anzahl der täglichen Neuinfektionen wieder gestiegen, wobei offizielle Zahlen wegen fehlender Erfassung nicht wirklich aussagekräftig sind. Klar ist: Das ohnehin schwache Gesundheitssystem ist absolut überlastet. Im Massai-Gebiet von Kajiado wirken sich drei weitere Faktoren verhängnisvoll aus. Die meisten Massai verstehen weder Englisch noch Kisuaheli, doch nur in diesen Sprachen hat die kenianische Regierung Aufklärung zum Umgang mit Corona veröffentlicht. Zudem liegt Kajiado an der Grenze zu Tansania. Bis März 2021 propagierte der tansanische Präsident Magufuli, das Virus sei nicht gefährlich. Inzwischen ist er an Corona verstorben. Seine Nachfolgerin, Samia Hassan, verfolgt eine andere Linie. Doch Aufklärung zu Corona ist generell rar, in der lokalen Sprache der Massai gar nicht vorhanden. Der Grenzverkehr ist stark, gerade über die grüne Grenze.

Mehr über SACDEP

Ngugi Joseph Mutura gründete 1993 die Organisation Sustainable Agriculture Development Program (SACDEP), die er bis heute leitet. Seine Vision: Ein hungerfreies Afrika. Dank seiner Initiative sind heute rund 100.000 Familien ernährungssouverän und ernährungssicher. Ngugi Joseph Mutura prägte einen ganzheitlichen, ressourcenorientierten Ansatz von Entwicklungszusammenarbeit, der auf Selbstermächtigung und Gemeinschaftsbildung setzt.

Seit der Gründung von SACDEP 1993 schult die Organisation jährlich zwischen 3.000 und 5.000 Kleinbäuer*innen in organischem Landbau. Erfahrungsgemäß erreichen die kleinbäuerlichen Familien durch diese Schulungen nach drei bis vier Jahren Ernährungssicherheit und Ernährungssouveränität. Seit 2018 arbeitet SACDEP mit rund 11.500 Kleinbäuer*innen in vier klimatisch unterschiedlichen kenianischen Regionen, im Osten, in der Zentralregion, an der Küste und im Rift Valley. Seit der Gründung von SACDEP ist die Zukunftsstiftung Entwicklung der strategische Partner der Organisation.

Aufklärung per Radio

Um die Prävention zu stärken, möchte SACDEP Radiobotschaften und Infomationsflyer auf Massai verbreiten. Mithilfe von vielen bildlichen Darstellungen soll die Botschaft, wie man sich vor einer Infektion schützen kann, auch für Analphabet*innen verständlich werden.

Mehr Widerstandskraft durch bessere Ernährung

Neben den gesundheitlichen Folgen belasten die wirtschaftlichen Folgen die Gemeinden in Kajiado schwer. Da sie im Wesentlichen vom Verkauf von Kühen leben und im Rahmen der Lockdowns die Viehmärkte immer wieder für Wochen geschlossen werden, haben viele Familien ihr Einkommen verloren. Für sie wird es immer schwieriger, ihre Grundbedürfnisse zu erfüllen, zumal gleichzeitig die Lebensmittelpreise stark gestiegen sind. Deshalb will SACDEP seine Schulungen für organischen Landbau ausbauen und mit weiteren 1.080 Familien Gemüsegärten anlegen. Gerade Frauen sollen gezielt angesprochen werden.

Einkommen durch Seifenproduktion

Zusätzlich werden 64 Jugendliche ausgebildet, um Seifen, Desinfektionsmittel und andere Hygieneartikel herzustellen. Sie erlernen einfache Einnahmen- und Ausgabenrechnungen und Wege für den Vertrieb ihrer Produkte. Im Rahmen des Projektes nehmen die Jugendlichen den Aufbau von 16 Manufakturen in sechs Handelszentren der drei group ranches in die Hand. Diese werden mit einfachem technischen Gerät und Blockpressen zur Seifenproduktion ausgestattet. Es sind Unternehmungen, die den Jugendlichen auch jenseits der Pandemie ein Einkommen bringen können, denn diese Hygieneartikel werden immer gebraucht.

Grace Karuku weitet ihren Gemüseanbau aus und bereichert ihre Ernährung mit Kräutern und Zitronengras.
In den Workshops wird die Produktion von Seifen, Waschmitteln und Putzmitteln praktisch geübt.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung übernimmt 75 Prozent der Gesamtkosten, wenn 25 Prozent durch Spenden finanziert werden können. Pro Familie sind dies einmalig 9 Euro. Sie stärken die Widerstandskraft auch jenseits von Pandemiezeiten.