Zwischen Behördenwillkür und Tatendrang

Die Mitarbeiter*innen des siddha-medizinischen Zentrums MUHIL im Süden Indiens lassen sich nicht entmutigen. Der Aufbau des Zentrums für Medikamente (wir berichteten in unserem Projektspiegel Nr. 57) geht in eine neue Runde.

"Die letzten drei Jahre waren die schwersten in der Geschichte MUHILs", sagte Dr. Rani beim Projektbesuch im Januar 2023. Die erlebte Verzweiflung und Angst waren ihr deutlich anzumerken, wie allen anderen Mitarbeiter*innen der Partnerorganisation der GLS Zukunftsstiftung Entwicklung auch. Sie erlitten eine Serie von Rückschlägen: erst die Überschwemmung des gesamten Geländes, dann zwei Jahre Corona-Pandemie mit monatelangen, strikten Lockdowns und Arbeitsverbot. Und als ob dies nicht genug wäre, sperrte im Dezember 2021 die indische Regierung, im Zuge einer nationalen Kampagne zur sogenannten "Reglementierung" von Nichtregierungsorganisationen (NRO), MUHILs Devisenkonto. Weit über ein Jahr durfte MUHIL nicht auf ausländische Fördergelder zurückgreifen und musste sich der Prüfung durch die Behörden unterziehen.

Dabei prüft die indische Regierung sämtliche Auslandskontakte, Finanzflüsse und Aktivitäten der NRO. Sie weitet damit ihre Kontrolle über die Zivilgesellschaft zunehmend aus. Offiziell soll diese Maßnahme Korruption bekämpfen und Transparenz der Arbeit herstellen. Real öffnet sie der Korruption Tür und Tor und führte zur Einstellung der Arbeit von NRO, die der Regierung ein Dorn im Auge sind, weil sie auf Missstände hinweisen. Tausende indische NRO sind noch immer von der Sperrung ihrer Auslandskonten betroffen, viele von ihnen haben bereits geschlossen. Auch MUHIL musste diesen Prozess durchlaufen. Und dies ohne eine Möglichkeit, auf den Verlauf oder die Geschwindigkeit der Entscheidung der Regierungsbehörden Einfluss nehmen zu können.

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Dr. Fatima Rani studierte als Ordensschwester Siddha-Medizin. Aufgrund der von ihr gewählten "Option für die Armen" schied sie aus ihrem Konvent aus. Gemeinsam mit Dr. Vincent Clement Joseph und Father Michael gründete sie "The Downtrodden and Poor People Charitable Medical, Educational & Welfare Trust", eine gemeinnützige Stiftung, die Gesundheitsleistungen für arme ländliche Bevölkerungsgruppen, vor allem Kastenlose, anbietet.

Über mobile Dorfkliniken, Health Camps und die Behandlung im zentralen Gesundheitszentrum bietet MUHIL Bedürftigen (Kastenlosen, Angehörigen niedriger Kasten und sogenannten Tribals) medizinische Basisversorgung auf traditioneller Siddha-medizinischer Grundlage. 35 Mitarbeiter*innen und weitere Gesundheitspromotor*innen versorgen 93 Dörfer im Distrikt Madurai in Tamil Nadu. MUHIL bildet Kleinbäuer*innen im biodynamischen Anbau aus. Ferner verfügt MUHIL über eine Destille zur Produktion ätherischer Öle, die national wie international vertrieben werden. Zurzeit baut MUHIL eine Medizinproduktionsstelle für Siddha Arzneimittel auf. Seit 2002 kooperiert die Zukunftsstiftung Entwicklung mit MUHIL in der Aus- und Weiterbildung von Gesundheitspromotor*innen und Gesundheitshelfer*innen, der Rekultivierung von verödetem Land, der Ausweitung des biodynamischen Anbaus, der Produktion ätherischer Öle und nun der Arzneimittelproduktion.

Dr. Rani während der Behandlung eines Kindes
Dieses Wasserreservoir wie auch begonnene Gebäude haben infolge von starken Monsunregen Schaden genommen. Jetzt sollen sie fertiggestellt werden
Bislang stehen 22 Kühe und Rinder im Stall. MUHIL möchte die Anzahl gerne verdoppeln, um den Dung für die Fruchtbarkeit der eigenen und der umliegenden Farmen der Kleinbäuer*innen zu produzieren

Die Unbeugsamen

Der Weiterbau einer Produktionseinheit für Siddha-Medikamente und der Betrieb einer Destillerie für medizinische Öle waren in dieser Zeit unmöglich. Dies hätte die gesamte Organisation gefährdet.

Es war beeindruckend zu verfolgen, wie sich MUHILs Vision, benachteiligten Menschen in ihrem Umfeld zu helfen, als stärker erwies. Die Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen von MUHIL hielten durchgängig die siddha-medizinische Gesundheitsversorgung für 93 benachbarte Dörfer aufrecht. Sie erreichten in den letzten drei Jahren 14.500 Patient*innen. Möglich war dies nur durch einen unvorstellbaren persönlichen Einsatz und ein hohes finanzielles Risiko. Während sich die Leiterin, Frau Dr. Rani, persönlich durch Kredite hoch verschuldete, stellten alle Mitarbeiter*innen 80 Prozent ihres Lohnes der Organisation als Kredit zur Verfügung. Zusätzlich verpfändeten die Mitarbeiter*innen ihren Hochzeitsschmuck.

Die Aufgabe und der Zusammenhalt im Team trugen durch die Krise – auch dann, als die Frustration wuchs. Gleichzeitig haben Dr. Rani und Father Clement, beide sind Gründer von MUHIL, in den zurückliegenden Jahren mit Bedacht die nächste Generation an ihre Aufgaben und die Verantwortung in der Organisation herangeführt. Ein Team von drei jungen Frauen leitet die medizinische Versorgung, von der traditionellen Herstellung der Medikamente bis zu den Gesundheitscamps und dem Einsatz der mobilen Gesundheitseinheit, die in einem Bus zur Behandlung auf die Dörfer fährt. Ein zweites Team ist für die Arbeit auf den Farmen verantwortlich, auf denen Heilpflanzen und andere Rohstoffe für die Herstellung der Medikamente gewonnen werden.

Gelungene Re-Registrierung

Als MUHIL im Februar 2023 die erneute NRO-Registrierung erhielt und das Devisenkonto freigegeben wurde, wirkte die Nachricht wie eine Erlösung. Die volle Aufnahme aller Aktivitäten ist nun wieder möglich. Doch der Schaden der letzten Jahre ist groß und die anstehenden Aufgaben sind es auch: Gebäude und Produktionsstätten konnten jahrelang nicht ausreichend wirtschaftlich genutzt werden, was zu einer großen Verschuldung führte.

Neben der Weiterführung des Gesundheitsprogramms plant MUHIL nun als Erstes die Instandsetzung der Öldestillerie. Dafür muss der Tank gereinigt und die Elektrizität überprüft werden. Auf den Farmen gilt es, Zäune und Maschinen zu reparieren. Der Bestand an derzeit 22 Kühen soll verdoppelt werden. Und nicht zuletzt muss das Produktionsgebäude für die Herstellung der Medikamente fertiggestellt werden, dessen Bau bereits 2018 begann. Hier führen Preissteigerungen zu höheren Kosten.

Alles in allem benötigt MUHIL 101.113 Euro für die Instandsetzungsmaßnahmen und die Fertigstellung des Produktionszentrums. Um das Gesundheitsprogramm in den 93 Dörfern weiterzuführen, sind zudem ca. 38.000 Euro im Jahr notwendig. Pro Patient*in sind dies rund acht Euro pro Jahr.

Dass die Motivation aller Mitarbeiter*innen MUHILs ungebrochen ist, hat der Besuch im Januar dieses Jahres noch einmal sehr deutlich gezeigt. Jede finanzielle Hilfe ermöglicht den notwendigen Neustart zum Wohle der Kranken und der benachteiligten Farmer*innen der Region – so wie es MUHILs Vision vorsieht.

38.000 Euro sichern die medizinische Versorgung in 93 Dörfern für ein Jahr. Das macht pro Patient*in acht Euro. Um den Bau der Produktionsanlage abzuschließen, sind aus Spendengeldern bei einer Förderung durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) 25.278 Euro (25 Prozent) notwendig. Ihre Spende wirkt vierfach!

Menschen aus 93 Dörfern werden bei MUHIL siddha-medizinisch versorgt

Spendenzweck

Indien: Gesundheitsversorgung für Kastenlose F178
Indien: Produktionszentrum F148