Ekta Parishad - Eine Bewegung in Bewegung

Zu Beginn des Jahres 2021 galt die Corona-Pandemie in Indien als kontrolliert bis überwunden. Ende April 2021 hält das Land nun den traurigen Rekord der höchsten täglichen Neuinfektionen weltweit. Fast zwei Drittel der Bevölkerung sind direkt oder indirekt von der Pandemie betroffen. Arbeitslosigkeit, Hunger und Unerreichbarkeit medizinischer Versorgung sind die Folgen. Wie kann es gelingen, diese Folgen in den kommenden Monaten und Jahren zu bewältigen?

Ekta Parishad ist eine der größten Volksbewegungen weltweit. Zehntausende Menschen organisieren sich in dieser Bewegung und setzen sich für Teilhabe der unterdrückten Landbevölkerung, von Adivasi (Ureinwohner*innen) und Landlosen in Indien ein. Menschen aus vielen Bundesstaaten erstritten sich eingebunden in Ekta Parishad Landreformen und verschafften sich eine Lebensgrundlage. Im Kontext der Pandemie setzt sich die Bewegung vermehrt für selbstorganisierte Nothilfe ein. Das Ziel ist auch hier: Nothilfe zu verbinden mit Maßnahmen zur generellen und strukturellen Verbesserung des Lebens der Menschen.

Die Bewegung ist in rund 12.000 Dörfern in 17 Bundesstaaten verankert. Basisdemokratisch organisiert, ist die Hilfe, die Ekta Parishad leistet, vor allem eine gemeinschaftlich getragene Hilfe zur Selbsthilfe. Dabei engagieren sich auch viele gut ausgebildete junge Menschen als Freiwillige.

Mehr zu Ekta Parishad

Ekta Parishad bedeutet "Solidarischer Bund." Den Prinzipien der Gewaltlosigkeit Gandhis entsprechend setzt sich die Bewegung für die Rechte der Landbevölkerung ein, von Tagelöhner*innen, Adhivasi und Tribals. Mittlerweile hat die Bewegung rund 250.000 aktive Mitglieder und gilt weltweit als eine der größten Volksbewegungen. Ekta Parishad fördert Gewaltfreiheit als Weg für politische und rechtliche Auseinandersetzungen, Dialog und konstruktive Maßnahmen zum Aufbau einer friedlichen und gerechten Gesellschaft. Heute arbeitet Ekta Parishad in 12.000 Dörfern Indiens.
Die Zukunftsstiftung Entwicklung kooperiert mit Ekta Parishad seit 2016.

1989 stieß Rajagopal Puthan Veetil den Aufbau der sozialen Basisbewegung Ekta Parishad an. Volkstümlich Raja Ji benannt, wurde er 1948 in einem Dorf im südindischen Kerala als viertes von fünf Kindern geboren. Sein Vater galt als Freiheitskämpfer für die indische Unabhängigkeit. Bereits seine frühkindliche Erziehung folgte der Philosophie Gandhis und stellte das Leben und Arbeiten in der Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Nachdem Rajagopal klassischen Tanz und Musik studiert hatte, ging er 1969 in Gandhis Ashram in Sevagram und erwarb ein Diplom als Agraringenieur. Seitdem inspiriert er unzählige Menschen, sich für sozialen Wandel einzusetzen.

Nothilfe, wo nötig…

Seit Beginn der Pandemie 2020 arbeitet Ekta Parishad mit allen Kräften daran, die von der Pandemie besonders Betroffenen zu unterstützen. Im vergangenen Jahr konnten so bereits rund 40.000 Menschen in 20 Staaten Indiens mit Lebensmittelnothilfe versorgt werden. Die Einschränkung der Mobilität, die Hygiene- und Abstandsregeln sowie die ständige Aufmerksamkeit und der Schutz der freiwilligen Teams und der wenigen hauptamtlichen Mitarbeiter*innen von Ekta Parishad waren sehr herausfordernd.

Die schnelle Verbreitung der indischen Mutation kombiniert mit einem maroden Gesundheitssystem und einer Impfquote von bisher unter zwei Prozent (Stand Mai 2021) wird das Land mit seinen rund 1,38 Milliarden Einwohner*innen noch lange in Atem halten. Ende April startete Ekta Parishad deshalb erneut eine landesweite Nothilfekampagne.

Ein Kernkomitee koordiniert die Aktivitäten der Freiwilligen. Ziel ist, besonders Bedürftige mit Lebensmitteln zu versorgen und medizinische Hilfe in armen ländlichen Regionen zu sichern. Neben der Finanzierung von Impfungen und Sauerstoff wird weiter aufgeklärt und Masken werden verteilt. In zwei besonders betroffenen Bundesstaaten errichtete Ekta Parishad zudem zwei Koordinierungs- und Verteilzentren. Eines liegt in Tilda (Chhattisgarh) und das andere in Gwalior (Madhya Pradesh). Die Zentren haben rund um die Uhr geöffnet.

Ein Gesundheitscamp in einem Dorf verteilt Medikamente.

... Perspektiven zur Daseinsvorsorge, wo möglich

Diese Nothilfe will Ekta Parishad mit der Schaffung von Grundlagen zur Daseinssicherung verbinden. Dazu will Ekta Parishad auch vermehrt mit denen zusammenarbeiten, die während der Pandemie beispielsweise als Wanderarbeiter*innen aus den Metropolen zurück in die Dörfer kamen und die den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie ausgeliefert sind. Über mehrere kleine Pilotprojekte sollen in Orten mit besonders vielen Rückkehrer*innen Kooperativen gegründet werden, die durch gemeinsame Vermarktung landwirtschaftlicher und handwerklicher Produkte die Einkommensmöglichkeiten auf dem Land verbessern.

Organisch produzierende Tee-, Reis- und Hirsebäuer*innen, aber auch indigene Bewohner*innen, die mit und von Wäldern leben, und traditionelle Weber*innen schließen sich dazu zusammen. Sie werden in Einnahmen- und Ausgabenrechnung und gemeinsamer Vermarktung geschult. Erstinvestitionen für Lagermöglichkeiten und einige Werkzeuge sollen aus Spenden finanziert werden. In den Kooperativen werden auf allen Ebenen Frauen gleichberechtigt in die Entscheidungsprozesse eingebunden; Kooperativen, die ausschließlich weibliche Mitglieder haben, werden auch ausschließlich von diesen verwaltet. So verbindet Ekta Parishad Nothilfe mit nachhaltiger Grundlagensicherung und Geschlechtergerechtigkeit.

Ein Paket mit Lebensmitteln, das zehn Tage ausreicht, kostet für eine Familie 7 Euro. Im Paket sind zehn Kilogramm Reis, zwei Kilogramm Hülsenfrüchte, ein Liter Öl und eine Packung Salz enthalten. Für die medizinische Versorgung einer Person werden durchschnittlich 54 Euro benötigt. Für den Aufbau einer Kooperative sind rund 50 Euro pro Person notwendig.

Mithilfe von Kooperativen können zurückgekehrte Wanderarbeiter*innen ihr Einkommen verbessern.